SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Steht endlich zu dem, was ihr getan habt, vor allem zu dem was ihr unterlassen habt.
Wie konntet ihr wegsehen, als vor euren Augen die Synagogen gebrannt haben.“
Dass unsere Eltern nicht über ihre Schuld sprechen, sondern sie verdrängen, das haben viele meiner Generation ihren Eltern zum Vorwurf gemacht. Als wir jung waren. Ich auch. Vor allem unseren Vätern. Wir haben sie herausgefordert, bedrängt. Je mehr sie bedrängt wurden,
umso mehr Erklärungen haben sie gegeben, die wir nicht akzeptabel fanden, haben sich gerechtfertigt, oder nur noch geschwiegen.
Schuldverdrängung. Die Studentenbewegung nach 1968 hat aus diesem Vorwurf an die Kriegsgeneration einen großen Teil ihrer Kraft bezogen. Auch einen Teil ihrer Wut, die dann
auf Umwegen auch in den RAF Terrorismus Eingang gefunden hat.
Wegsehen. Schuld verdrängen. Das sollte es bei uns nicht mehr geben.

„Das Geheimnis der Erlösung ist Erinnerung.“ Diese jüdische Weisheit ist in all den Jahren Allgemeingut geworden: Erinnern, nicht verdrängen. Schuld eingestehen.
Hat meine Generation das mit Leben gefüllt? Ich denke schon, was die Aufarbeitung der
Schuld im Dritten Reich angeht.
Aber an anderer Stelle bin ich skeptisch und mir ist deutlich: Es ist immer leichter, Schuld
und Versäumnisse der Väter und Mütter zu sehen als eigene.
Die Erinnerung an den so genannten Deutschen Terrorismus vor 30 Jahren macht mich skeptisch. Ich habe das Gefühl, da fehlt es an vielen Stellen an Klarheit. In meiner Generation. Bei denen, die sich damals als linke Studenten gesehen haben.
Die Morde 1977, die Selbstmorde der RAF -Häftlinge, mit vielen anderen zusammen habe ich das emotional aufgewühlt verfolgt.
Unser moralisches Urteil damals über das was geschehen ist, war oft unscharf und krude.
Die Morde der Terroristen wurden von vielen nicht wirklich Mord genannt, sondern erklärt, verharmlost. Menschen wurden zu Unmenschen erklärt. Täter klammheimlich zu Opfern umgedeutet.
Viele unserer Worte waren verschwommen. Und verschwommene Sprache ist oft der erste Schritt, zu verdrängen. Fehler und Versagen nicht beim Namen zu nennen.
Diese Unklarheiten und damit auch Unwahrheiten von damals sind in diesem Jahr in der öffentlichen Erinnerung – so finde ich – nicht deutlich genug benannt worden.
Sicher haben viele für sich in den Jahren seither –privat- Klarheit geschaffen. Und geben
ihren Kindern heute als Lehre weiter, dass Gewalt nicht zu rechtfertigen ist.
Aber vielleicht müssten wir es manchmal öffentlicher und klarer sagen. Eingestehen wo
wir falsch lagen. https://www.kirche-im-swr.de/?m=2508
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