SWR4 Abendgedanken

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„Du immer mit deinen verrückten Ideen.“ Ich habe meinem alten Schulfreund Jan richtig angesehen, was er gerade dachte. Bei einem Glas Wein habe ich ihm erzählt, was mich so beschäftigt. Da ging es viel um Religion und Glaube. Doch Jan kann damit nichts anfangen. Er arbeitet als Wissenschaftler im Labor, forscht an neuen Medikamenten. Religion hat ihn noch nie interessiert. 

Wenn ich ihn das nächste Mal treffe, will ich trotzdem wieder diskutieren. Ich habe nämlich einen Satz gelesen, der gut zu unseren Gesprächen passt. Er ist von Albert Einstein. „In unserer Zeit sind die ernsthaften Wissenschaftler die einzigen tief religiösen Menschen", sagt er. Richtig gehört: Forscher und Wissenschaftler sollen heute die einzigen tief religiösen Menschen sein. 

Ich verstehe Einstein so: Wissenschaftler sind Menschen, die nie ganz fertig sind mit dem Fragen. Sie können vieles erforschen und erklären. Moleküle, Atome, immer weiter, immer kleiner. Kaum aber ist ein Rätsel gelöst, tun sich wieder tausend neue Fragen auf. Für Einstein entzaubern Wissenschaftler nicht einfach die Welt, sondern sie stoßen auf immer neue Wunder. Einstein sagt, dass ich darin  Gottes Handschrift erkennen kann. 

Für mich heißt das: Es geht nicht darum, so zu tun, als wüsste ich alles über Gott und die Welt. Zu leicht machen es sich zum Beispiel religiöse Fundamentalisten. Die wissen angeblich, wer Gott ist und welche Regeln er aufstellt. Kritische Fragen sind verboten. Wer das nicht glauben will, den bekämpfen sie. Viel zu oft endet das in Terror und Gewalt. Das Gegenteil wäre richtig: Hartnäckig weiterfragen, neugierig bleiben und dazulernen. 

Wenn ich meinen Freund Jan das nächste Mal treffe, werde ich ihn fragen, wie er Albert Einstein versteht. Bisher spreche ich viel von Gott und er viel über die Welt. Super fände ich es, wenn wir beim nächsten Mal miteinander über beides reden: Gott und die Welt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25070
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