SWR2 Wort zum Tag

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Wenn ich in Rom bin gehören immer einige feste Punkte zu meinem Besuchsprogramm. Vor dem Grab des 1963 gestorbenen Papstes Johannes XXII zu stehen gehört unbedingt dazu. Er gehört zu den Christen, die mich einfach faszinieren, auch wenn ich ihn nie persönlich erlebt habe. Die jüdische Soziologin Hannah Arendt erzählt, ein römisches Zimmermädchen hätte damals, als Papst Johannes im Sterben lag, zu ihr gesagt: “Gnädige Frau, dieser Papst war wirklich ein Christ. Wie ist das möglich? Und wie konnte ein wirklicher Christ auf den heiligen Stuhl kommen? Hatte denn keiner eine Ahnung, wer er war?” Unser jetziger Papst Franziskus erinnert mich oft an ihn. Sie hätten Brüder sein können oder zumindest enge Freude. Menschlichkeit, und Barmherzigkeit - das waren auch  wichtige Themen von Johannes. Davon redete er, so lebte er, das sah man ihm an und glaubte ihm. „Worte bewegen, Beispiele reißen mit“, hat er immer wieder betont. Zum Beispiel weigerte er sich Besucher aus anderen Konfessionen auf dem damals noch prunkvollen päpstlichen Thron zu empfangen, sondern er ließ sich einen Stuhl bringen und setzte sich einfach zu ihnen. Diese kleinen Zeichen ließen immer- bei aller Würde des Amtes- den Menschen Johannes erkennen. Das erfuhren zum Beispiel die Arbeiter, die seinen Umzug von Venedig nach Rom durchführten. Während des Einzugs in seine Wohnung ging er umher, ohne Begleitung, um die Räume zu besichtigen, die er noch nicht kannte. In einem waren Arbeiter damit beschäftigt, Kisten herauszutragen. Einer von ihnen arbeitete gebückt und verdeckt durch eine dieser Kisten, als der Papst sagte: „‚Ich störe doch nicht?“ Der Arbeiter, der hinter der Kiste stand, glaubte die Stimme eines seiner Kollegen zu erkennen und gab zurück: ’Hör auf mit dem Blödsinn und hilf mir lieber.’ Da trat der Papst schmunzelnd hinzu und fing an zu räumen. Man kann sich das Gesicht des Arbeiters vorstellen, als er ihn dann erkannt hat. Respekt vor der Würde jedes einzeln Menschen, egal welche Position er hat  -  das verbinde ich mit Johannes XXIII. Seinem Bruder Giuseppe schrieb er einmal: “Bemühen wir uns, die Überzeugung zu gewinnen, dass nicht alles, was andere tun, schlecht, und alles, was wir tun, gut ist. Je mehr wir in jedem Fall Demut und Respekt beweisen, wirklich zu schweigen und die anderen gelten zu lassen, Geduld zu haben, um so mehr wird uns der Herr segnen.” Gut gemeint Papst Johannes. Das wird nicht immer klappen. Aber darum bemühen kann ich mich. Gelegenheiten dafür gibt es genug.

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