Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Zusammen sind wir Deutschland.“ Das ist das Motto heute auf dem Tag der Deutschen Einheit, zentral gefeiert wird hier in Mainz.

Was feiern wir eigentlich? Fragt mein Sohn. Er weiß Bescheid über die Mauer und so. Aber er hat wie alle Jüngeren das ja nicht selber direkt miterlebt, dass etwas geschehen ist, weswegen es vielen Menschen heute noch wichtig ist zu feiern. Was feiern wir eigentlich? Richtig bewusst geworden ist mir das neulich bei einem Besuch bei einer über Hundertjährigen, die ich sehr schätze und die mir manches aus ihrem Leben erzählt hat.

Ihre Heimat ist "drüben", wie sie sagt. Drüben, hinter der Mauer, die einmal war. Ganz nah und doch schwer erreichbar. So war es für diese Hundertjährige. Ihre Heimat ist noch immer Rügen. Obwohl sie schon viele Jahrzehnte in Mainz lebt. Mit Rügen ist sie so verbunden, dass sie noch heute die  Wellen dort rauschen hört, und weiß, wie einem der Wind um die Nase weht und wie die Bäume und das Meer miteinander sprechen. 

Sie ist all die Jahre hingefahren, auch letztes Jahr noch. Doch es gab Zeiten, da ist sie zwar hingefahren, aber mit vielen Hürden und Unsicherheiten. Zeiten, in denen sie das nicht spontan machen konnte, oder jemand von dort nicht einfach hierher kommen konnte. Sie war schon im Westen, als die Mauer fiel. Aber  auch hier war das für sie eine absolute Befreiung: Als sie das Gefühl hatte: Unsere Gebete  sind erhört worden. Und die  Heimat ist  wieder näher gerückt.

Weil Menschen dafür gebetet und beharrlich und ohne Gewalt einen Weg in die Freiheit gesucht haben.

Seit 27 Jahren ist Deutschland wieder eins. Und doch ist noch nicht alles zusammengewachsen. Da ist noch viel zu tun.  Ich glaube fest daran- vieles ist noch möglich! Dass  wir mit unseren unterschiedlichen Lebensgeschichten, mit so unterschiedlichen Kulturen uns noch mehr als  Gemeinschaft empfinden. Und zusammen sind wir ja  nicht nur Deutschland. Zusammen sind wir auch Europa. Nur so, gemeinsam, können wir die aktuellen Herausforderungen bestehen. Die Frau hat mir das bei meinem Besuch wieder so klar vor Augen geführt: Es lohnt sich, beharrlich und ohne Gewalt daran mitzuwirken. Unsere Sehnsucht nicht aufzugeben. Diese Hoffnung und diese Sehnsucht nach Freiheit und Frieden sind es, die noch vieles zum Guten verändern können - auch heute noch!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=25042
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