Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Vor ein paar Wochen habe ich auf dem Weg zur Arbeit meine erste Kastanie entdeckt. Auch wenn ich keine Kastanienmännchen mehr bastle, hab ich mich gefreut wie ein Kind. Diese glatten glänzend braunen Früchte faszinieren mich jedes Jahr. Und immer habe ich eine davon in meiner Jackentasche. Sie fühlt sich so gut an in der Hand. So rund und glatt.

Für mich ist die Kastanie ein Sinnbild für besondere Sätze, die ich in der Bibel finde. Manchmal lese ich etwas in der Bibel und verstehe es einfach nicht. Sperrig und stachelig - wie eine Kastanie in ihrer Stachelhülle. Aber irgendwann platzt die Hülle auf und ein Wort liegt vor mir: rund und glatt. Und es glänzt und leuchtet. Sätze wie Schätze. Als wären sie schon immer da gewesen.

Einer von diesen Schätzen steht im zweiten Korintherbrief. Da sagt Gott: “Lass  dir an meiner Gnade genügen. Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“  Dieser Satz war für mich lange Zeit sehr stachelig. Schwach soll ich sein?  Wer gibt schon gerne zu, schwach zu sein. Und wir lernen doch überall: Du musst durchhalten und stark sein. Versagen  ist nicht erlaubt – besser alles selber schaffen.
Und dann dieser Satz. Lass Dir an meiner Gnade genügen. Ich habe den Satz eine Weile mit mir herumgetragen und mir wurde klar:

Niemand kann immer stark sein. Eine Krankheit, ein Schicksalsschlag und schon ist es aus mit der Stärke. Auch wenn ich versuche, das Beste daraus zu machen- ich komme immer wieder an meine Grenzen. Was mache ich, wenn ich mich hilflos und am Ende fühle? Vielleicht leuchtet mir dann dieser Satz entgegen,  “Lass  dir an meiner Gnade genügen. Denn meine Kraft ist in den Schwachen mächtig.“ Der Satz kann Hoffnung machen: Wenn ich selber an meine Grenze komme, wenn ich schwach bin, ist Gottes Kraft mächtig. Und es gibt ja solche Erfahrungen - als ich zum Beispiel  mal ziemlich krank war und erlebt habe: Gottes Kraft, seine Nähe bleibt mir und trägt mich hindurch.

Das zu wissen ist wie ein Schatz. Einer, den ich wie eine Kastanie in meiner Jackentasche herumtrage. Und immer wieder in die Hand nehme und spüre, dass da etwas ganz besonders drin steckt.

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