SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Im Urlaub diesen Sommer habe ich gemerkt, dass es mir schwer fällt zur Ruhe zu kommen und einfach mal abzuschalten. Sogar dann, wenn ich eigentlich frei habe. Denn es gibt ja immer noch etwas, was noch erledigt werden muss. Die Arbeit ist nie zu Ende. Es kostet mich richtig Überwindung, mich auf unserer Terrasse in den Liegestuhl zu legen, wenn der Rasen noch nicht gemäht ist und die wichtige Banküberweisung nicht erledigt. Dann stehe ich vor dem Liegestuhl und höre in mir diese Stimme, die sagt: „Erst die Arbeit, dann das Vergnügen.“

Mit diesem Satz bin ich aufgewachsen. Erst wird gearbeitet, dann darf man Spaß haben. Erst muss alles erledigt sein, dann kommt die Freizeit. Ich habe diesen Satz tief in mir verinnerlicht und merke, dass er mir heute manchmal das Leben schwermacht.

Natürlich ist an dem Satz was Richtiges. Wenn ich immer nur mein Vergnügen suche und dabei vergesse, meine Arbeit zu erledigen, dann bekomme ich schnell Probleme. In meinem Beruf gelte ich dann als faul, bei meinen Freunden als unzuverlässig und in meiner Familie als verantwortungslos. – Doch der Satz ist auch gefährlich. Er tut nämlich so, als sei die Arbeit das Wichtigste im Leben. „Erst die Arbeit…“ Und danach kommen die anderen Dinge: Vergnügen, Freizeit, Freunde, Familie. Ich kenne leider zu viele Menschen, die genau nach diesem Motto leben und daran krank werden. Oder sie merken irgendwann, dass ihnen die Kinder oder der Ehepartner fremd geworden sind. Weil immer zuerst die Arbeit kam.

Aber hat nicht Gott selber die Pause, den Feierabend, erfunden? In der Geschichte von der Erschaffung der Welt wird erzählt, dass Gott sechs Tage gearbeitet hat und dann am siebten Tag ruhte. Er schaute sich an, was er bisher erschaffen hatte und freute sich darüber. Dieser siebte Tag gehört auch noch zur Schöpfung dazu. Gott hat also nicht nur Himmel und Erde erschaffen, er hat auch die Freizeit erschaffen. Wenn also Gott einfach mal seine Arbeit unterbrechen und Pause machen konnte, dann darf ich das auch mit gutem Gewissen.

Darum will ich auch im Herbst, wenn der Urlaub längst vorbei ist, mich ohne Schuldgefühle mal in den Liegestuhl legen, auch wenn noch nicht alle Arbeit getan ist.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24976
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