Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Wenn es etwas gibt, das mir stinkt, dann das: Warten müssen. Zum Beispiel im Supermarkt. Da ist nur eine Kasse auf und vor mir wird umständlich bezahlt. Oder am Telefon. Statt verbunden zu werden, kommt man erst mal in die Warteschleife. Statt einer Auskunft gibt’s Musik auf die Ohren. Oder wenn ich krank bin. Dann will ich schnell wieder gesund werden. Sich auszukurieren, das dauert mir einfach zu lange.

Ich glaube, ich bin da in ganz guter Gesellschaft. Warten müssen nervt viele. Denn Warten kostet: Geld, Zeit, Nerven. Ich will direkt bedient werden, der Zug soll pünktlich abfahren, die Handwerker müssen sofort kommen.

Warten ist auch ein zentrales Glaubensthema. Ein wichtiges biblisches Motiv ist, dass Menschen auf Gott warten. So sagt der Prophet Micha: „Ich warte voll Vertrauen auf Gott, meinen Retter.“ (Micha 7,7) Der durchaus aktuelle Hintergrund: Micha erlebt: Beamte sind bestechlich, es gibt habgierige Rechtsanwälte und es gibt Nachbarn, die einem Böses wollen. Deshalb setzt Micha seine Hoffnung auf Gott. Der aber lässt auf sich warten.

Auch unter den biblischen Liedern, den Psalmen, gibt es einen Song, der sich um das Warten dreht. Hier singt einer davon, dass er es leid ist, auf Gott zu warten: „Ich bin müde vom Rufen, meine Kehle ist heiser, mir versagen die Augen, während ich warte auf meinen Gott.“ (Psalm 69,4) Der ganze Text erzählt von einem, der verfolgt und in Not ist. Er fleht Gott um Hilfe an – aber der lässt sich nicht blicken.

Warten zu können, das ist heute wie zu biblischen Zeiten ein Thema. Die Kunst scheint darin zu bestehen, wie ich mit diesem Warten umgehe. Die biblischen Beter machen vor, wie das geht. Sie wissen: Am Warten lässt sich oft nichts ändern. Sie wissen aber auch: Auf die Einstellung kommt es an. Sie lautet: Nicht locker lassen, nicht aufgeben, weitermachen.

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