SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Wir sind mit den Kindern im Zug unterwegs und unser anderthalbjähriger Sohn Clemens ist auf Achse und krempelt den ganzen Waggon um. Hoch, runter, über die Sitze, ans Fenster und wieder zurück.

Mittenrein in seinen Tatendrang dann diese Stimme: „Heißt du Clemens? Das ist aber schön. Wo bist du denn?“ Die Dame sitzt direkt im Sitz vor Clemens. Sie dreht sich um und streckt ihre Hand hin. Erst jetzt sehen wir an ihren Augen, dass sie blind ist. Die Dame spricht ganz ruhig und freundlich weiter mit dem Kleinen. Wir sind still und halten uns raus, selbst gespannt, was jetzt passiert. Clemens ist nämlich normalerweise in solchen Momenten eher schüchtern. Und mit Leuten, die er nicht kennt, wird er nicht so schnell warm.

Aber jetzt schaut er die Dame an, lächelt und legt ganz sachte seine kleine Hand in die der Frau. Mir ist, als müsste die Zeit still stehen. Ein toller Moment.

Diesen Moment lang sind die beiden verbunden - dann muss es auch schon weitergehen und Clemens entdeckt einen LED-Streifen unter dem Sitz.

Das war wirklich besonders für mich. Kinder sind einfach klasse. Clemens scheint irgendwie gespürt zu haben, dass die Dame seine Hand braucht, um ihn zu sehen. Und er hat nicht erst abgewogen, was sie wohl will, wer sie ist und was sie macht. Nein, Kinder entscheiden aus dem Bauch.

Dieses Gespür für Menschen, das Kinder so selbstverständlich haben, das wünsche ich mir auch. Dann könnte es viel mehr solcher Augenblicke geben: ganz vertrauensvoll und echt.

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