Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Morgens um 7, mittags um halb 12 und abends um 7 läuten bei uns in Kirchwald in der Eifel die Glocken.  Erst kommt der Schlag für die Uhrzeit, also sieben oder halb zwölf. Dann kommt ein dunkler Ton, drei Mal drei Schläge hintereinander, und dann läutet eine hellere Glocke ungefähr drei Minuten.  Das klingt weit über unser Dorf hinaus, merke ich auf meinen Spaziergängen.

Die Glocken erinnern an das lateinische Angelus-Gebet. Der Engel des Herrn (Angelus) brachte Maria die Botschaft, dass sie ein Kind bekommen sollte, Jesus.

Schon seit über 700 Jahren läuten die Glocken und erinnern die Menschen daran, dass sie nicht allein gelassen sind auf der Welt. Früher haben in den Klöstern die Menschen zu jedem Angelusläuten Gebete gesprochen. Auf alten Bildern sieht man auch Bauern, die um die Mittagsstunde die Arbeit unterbrechen und die Hände zum Gebet falten.  Außerdem hatten die Glocken natürlich in einer Zeit,  als es noch keine Handys gab und keine Armbanduhren, die Funktion, die Menschen an die Zeit zu erinnern: den Arbeitsbeginn, die Mittagspause, das Arbeitsende.

Wenn ich den Angelus höre, dann trägt mich das aus der Zeit heraus. Ich fühle mich verbunden mit den Menschen, die früher hier gelebt und gearbeitet haben. Sie haben im Sommer geschwitzt und sich gefreut, dass es bei uns in der Eifel nicht so heiß ist wie in der Stadt. Im Winter haben sie gefroren, wahrscheinlich mehr als wir heute. Sie haben sich über die Geburt ihrer Kinder gefreut und haben die Toten beerdigt. Der Angelus wird in Kirchwald bestimmt auch noch geläutet, wenn ich längst tot bin. Wunderbar. Es gibt doch auch Dinge, die Bestand haben in unserer schnell-lebigen Zeit. Und grade, wenn mir mulmig zumute ist oder wenn ich traurig bin, dann sprechen die Glocken besonders zu mir und ich höre darin die Stimme Gottes: „nur Mut, ich bin doch auch noch da.“

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24899
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