SWR3 Gedanken

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„Das Leben geht weiter, auch wenn’s humpelt“ den Spruch hat mir meine Freundin Kerstin geschenkt. Auf einer Postkarte. Und ich dachte, stimmt eigentlich, egal, was kommt, das Leben humpelt weiter. Es passte auch genau in unsere Situation hinein: meine Freundin Kerstin war die letzten Wochen wegen Burnouts krankgeschrieben und auch mein Leben lief gerade nicht so rund: Stress auf der Arbeit, Stress in der Familie.

Der Spruch erinnert mich aber auch an eine meiner Lieblingsgeschichten in der Bibel: die Geschichte von Jakob. Bei dem ist das Leben auch weitergegangen, humpelnd. Sie spielte vor fast 3000 Jahren. Jakob war Viehhirte, hatte Frau und Kinder. Ein ganz normales Leben mit seinen Höhen und Tiefen. Dann aber beschließt er, aufzuräumen in seinem Leben: er beendet ein, sagen wir mal, nicht so gelungenes Arbeitsverhältnis und er versucht, wieder gut zu machen, was er in der Vergangenheit vermasselt hatte - nämlich die Beziehung zu seinem Bruder. Er will zu ihm reisen und ihn um Verzeihung bitten. Und dann passiert ihm etwas ganz Bemerkenswertes: mitten in der Nacht, am Fuße eines Flusses kämpft Jakob. Mit wem er kämpft, ist nicht ganz klar: mit einem Engel? Mit Gott? Mit sich selbst? Er kämpft jedenfalls mit seiner ganzen Kraft und hört nicht auf zu kämpfen. Am Ende seines Kampfes bekommt er von seinem Gegenüber einen Schlag auf die Hüfte. Und deshalb wird Jakob Zeit seines Lebens humpeln. Aber genau in diesem Kampf findet Jakob seinen Frieden. Jetzt kann er das Alte loslassen. Jetzt kann er weitergehen, auch wenn er dabei humpelt.

„Das Leben geht weiter, auch wenn’s humpelt“, meint meine Freundin. Und ich sage ihr: So ist es halt: manchmal muss man sich seinen Dämonen, seiner Vergangenheit, seinen Problemen stellen und mit ihnen „kämpfen“. Auch wenn es eine ganze Nacht lang dauert. Manchmal hat man Glück, wie Jakob, und findet seinen Frieden. Auf jeden Fall geht das Leben weiter, wenn’s auch humpelt.

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