SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Es gibt ein Zauberwort, das wirklich etwas bewirkt. Es heißt: „Ich vergebe Dir!“. Die schönste Art und Weise, wie man es in der Musik hören kann, ist bei Mozart. In Figaros Hochzeit. Wenn da am Ende die Gräfin ihrem Mann vor allen anderen Beteiligten verzeiht. Nach einigen Ehejahren ist sie enttäuscht von ihm, weil er anderen Frauen nachsteigt. Aber sie liebt ihn immer noch und er bittet sie um Vergebung: „Perdono“. Er bereut. Das Tempo in der Musik und die Begleitung im Orchester werden zurückgefahren und über allem steht nur noch ihr „Piu docile sono […] e dico di si“ – „Ich füge mich und sage ja“. Die anderen Beteiligten greifen die Melodie auf und wiederholen wie einen Choral: „Diese Quälereien kann nur die Liebe beenden“. Die Musik wirkt an dieser Stelle religiös. Und für mich passt das.

Als Christ glaube ich ja auch daran, dass die Liebe alles vermag.  Und dass ich jederzeit neu anfangen kann, wenn ich verzeihe. Das ist nicht immer einfach, denn ich muss dazu ja überwinden können, dass ich enttäuscht oder verletzt und innerlich erstarrt bin. Aber manchmal schaffe ich es. Ich erwische diesen Moment und reagiere mit Herzenswärme. Die Bibel nennt diese Herzenswärme „Barmherzigkeit“. Sie gehört zum Wesen Gottes.  Und wird in der Bibel als weibliche Seite Gottes dargestellt. Im Hebräischen heißt das Wort dafür nämlich so viel wie Mutterschoß. Wenn es ums Verzeihen geht, denken also schon die Autoren der Bibel an einen Gott, der mich auf seinen (Mutter)schoß nimmt. Dass es bei Mozart also eine Frau ist, die unter Männern leidet und sie mit ihrem Verzeihen weit überragt, ist für mich beinahe schon logisch.

Es zeigt, wie Oper und Religion zum Leben passen. Ich habe es mit einem Freund erlebt. Wir sind seit Jahren befreundet und unsere Freundschaft hat einen Knick bekommen. Ich habe aus so einer Verletztheit heraus etwas gesagt, was wiederum meinen Freund verletzt hat. Beinahe wäre es zum Bruch gekommen. Aber weil wir das gemerkt haben, haben wir uns zusammengesetzt und versucht, nur zuzuhören und zu verstehen, was den anderen verletzt hat. Als wir das verstanden haben, hat das schon ein bisschen von der Verbitterung gelöst. Dann braucht es dazu noch diesen Schritt, der im ersten Moment viel Selbstüberwindung kostet: Dass ich um Vergebung bitte. Das kann wirken wie ein Zauberspruch. Und genauso die Antwort: Manchmal merke ich direkt, wie meine Verletzungen sich auflösen, noch in dem Moment, in dem ich sage: Ich vergebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24850
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