SWR4 Sonntagsgedanken

SWR4 Sonntagsgedanken

Das Fundament entscheidet, ob ein Gebäude etwas aushält oder in sich zusammenfällt. Jesus hat einmal gesagt: Genauso ist es mit den Lebenshäusern der Menschen. Gerade in der Krise kommt es auf das Fundament an. Und besonders wenn es einen persönlich trifft, braucht man ein tragfähiges Fundament

Eine junge Frau hat mir erzählt: Die Hochzeit war geplant, die Familie und Freunde eingeladen, das Brautkleid gekauft. Es waren nur noch vierzehn Tage bis zum großen Fest, da sagt der Bräutigam, dass er diesen Schritt doch nicht tun will. Er trennt sich von ihr. Sie hatte es weder geahnt noch etwas davon bemerkt. Aber jetzt waren alle Hoffnungen und alle Pläne wie ausgewischt. Als ich das gehört habe, habe ich mich gefragt: Was trägt in diesem Moment?

Eine ganz andere Situation: Am Telefon frage ich den alten Bekannten – den ich länger nicht gesehen habe: Wie geht es dir denn so? Ein kurze Stille, dann fragt er zurück: Willst Du es wirklich wissen? Dann sagt er ganz offen: Ich bin an einem Punkt, an dem ich nicht mehr weiter weiß. Die Ärzte habe bei mir einiges festgestellt. Meine neue Stelle muss ich wieder aufgeben. Ab sofort kann ich nur noch stark eingeschränkt und mit vielen Medikamenten weiterleben. Wieder habe ich mich gefragt: Hält ein Lebenshaus einem solchen Erdbeben stand?

Nicht immer sind es die ganz großen Lebensstürme oder Beziehungserdbeben, die sich zur Krise auswachsen und ein Leben erschüttern. Als Pfarrer weiß ich: Es gibt kein Lebenshaus, an dem nicht heftig gerüttelt wird. Mein Eigenes nicht ausgenommen. Wahrscheinlich kann jeder seine ganz eigene Geschichte erzählen, vom kalten Platzregen und zerstörerischen Hagel in Beziehungen, von heftigen berufliche Sturmfronten, von lebensbedrohlichen Krankheiten, die die Lebensfundamente wegspülen können wie ein Hochwasser.

Deshalb war es Jesus so wichtig, dass Menschen das richtige Lebensfundament finden… dass sie ihr Leben nicht in den Sand setzen, sondern an einem unerschütterlichen Fels festmachen.

Was bedeutet das? Wie sieht ein solches Lebensfundament denn aus? Ich glaube, es genügt nicht, mich selbst zu finden. Wer kann sich schon immer selbst ertragen oder selbst helfen? Und andere? Sogar das Fundament der Freunde und der eigenen Familie kann erschüttert werden.

Deshalb sagt Jesus: Schaut auf Gott, der sich wie ein Vater, wie eine Mutter um euch kümmert. Er begleitet euch, auch wenn Unwetter über euch hereinbrechen. Natürlich ist nicht immer gutes Wetter und Sonnenschein. Aber Gottes Liebe und Barmherzigkeit hören nie auf. Wendet euch an ihn zum Beispiel im Gebet. Er hilft aushalten und durchhalten und wieder aufstehen.

 

Das hat die Frau erlebt, die kurz vor der Hochzeit von ihrem Bräutigam verlassen worden war. Sie hat ihre Lebenskrise als Chance erkannt. Sie hat ganz neu die Nähe und Hilfe Gottes gesucht. Im Nachhinein war sie sogar ein bisschen erleichtert, dass die harte Trennung vor und nicht nach der Hochzeit erfolgt  ist. Aber das ist immer leichter im Nachhinein festzustellen als mitten in der Krise.

Kennen Sie den Sänger Leonhard Cohen? Cohen war praktizierender Jude und hat sich zeitlebens in vielen seiner Lieder mit der Frage nach Gott auseinandergesetzt. Seinen Glauben bezeichnet er als einen Glauben in der Krise. Aber er hält trotzdem unbeirrt am Lob Gottes fest. Der Refrain eines seiner letzten Lieder [You want it darker] klingt wie ein Gebet angesichts seines damals schon absehbaren Todes: „Gepriesen und geheiligt sei dein heiliger Name… Ich bin bereit, o Herr.“

Ich glaube, dass in der Person von Jesus Christus uns Gott auch sein menschenfreundliches Gesicht gezeigt hat. Interessanterweise gerade dann, wenn Jesus seinen Mitmenschen in ihren Lebenskrisen begegnet. Zum Beispiel einer Frau, die wegen Ehebruchs gesteinigt werden sollte. Er nimmt die Ankläger aufs Korn und rettet die Frau. Jesus scheut sich nicht vor den Kranken, sondern heilt sie. Er spricht eine Frau an, die sich nur noch in der stechenden Mittagssonne zum Wasserholen an den Brunnen traut. Jesus zeigt damit: Gott grenzt niemanden aus.

An Jesus erkenne ich auch, dass sich Gott vor ernsthaften Krisen nicht drückt, dass er Leid und Elend nicht meidet, sondern dass er mich und Sie und jeden einzelnen Menschen sieht und sucht. Und dass er hilft.

Jesus sagt: „Wer meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baut[e].“ Klug ist so gesehen, jemand, der Gott sich auf Gott verlässt – auch wenn es dunkel aussieht im Leben und trübe. Platzregen und heftige Winde werden nicht ausbleiben, in keinem Leben. Aber der Glaube an Jesus ist ein Fundament, das meinem und Ihrem Lebenshaus Festigkeit und Hoffnung verleihen kann.

Ich wünsche Ihnen dieses Lebensfundament und einen gesegneten Sonntag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24840
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