SWR2 Wort zum Tag

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Heiliges Land, das kann überall sein. Mit einem guten Freund zusammen habe ich kürzlich viele heilige Stätten unserer drei monotheistischen Religionen Judentum, Islam und Christentum besucht. Vor allem natürlich in Jerusalem, wo auf dem Tempelberg die Heiligtümer der Muslime stehen und direkt daneben die Klagemauer. Für gläubige Juden der wichtigste Ort. So richtig heilig ist mir vieles aber nicht erschienen, bei all dem tödlichen Streit, der da um den Zugang und die Kontrolle über diese religiös so wichtigen Orte herrscht.  

Als Christ und auch als Religionswissenschaftler haben mich natürlich die Plätze interessiert, an die Menschen meiner Religion pilgern. Die Grabeskirche in Jerusalem zu allererst, aber auch die Geburtskirche in Bethlehem. Andere interessante Orte waren der „Berg der Versuchung“ bei Jericho, die Taufstelle Jesu am Jordan und viele Orte seines Wirkens in seiner Heimat Galiläa am See Genezareth.

Was mir ganz und gar nicht gefallen hat, war eine für mein Empfinden unheilige Hektik und Verbissenheit, die ich häufig spürte. In der Grabeskappelle warf ein Mönch lauthals eine alte Frau raus, die sich partout nicht an das Verbot halten wollte, dort Kerzen anzuzünden. In der Geburtsgrotte in Bethlehem wurde ich rabiat von Leuten verdrängt, die der Meinung waren, sie hätten es notwendiger, den Ort zu berühren, an dem ein silberner Stern die Geburt des Gottessohnes markiert. Und immer wieder hatte ich das unangenehme Gefühl, dass nationale Pilgergruppen heilige Orte zeitweise ‚besetzten’ – nach dem Motto, jetzt sind wir hier und jetzt sind wir dran.

So interessant es war, die christliche Gedenkkultur und -Geographie dort zu sehen, so befremdlich war auch vieles davon.

Im Anschluss an die Reise nach Nahost hatte ich das Glück, eine Gruppe von Jugendlichen nach Taizé begleiten zu dürfen: An jenen spirituellen Ort in der Bourgogne, der zahlreiche junge Menschen vieler Nationen anzieht. Dort habe ich die Ruhe erlebt, die Sammlung und die gegenseitige Achtung, die mir an den Pilgerorten vorher leider gefehlt hatten. Tausende von Menschen verschiedener christlicher Konfessionen singen, beten und schweigen gleichzeitig in einer Kirche, die keinerlei Prunk und Protz möchte. Ich merke: Heiliges Land ist für mich dort, wo ich zur Ruhe und in Berührung mit Gott kommen kann; wo Menschen sich in friedlicher Absicht und in Einfachheit begegnen und achten. Taizé ist für mich heiliges Land. In Israel und Palästina habe ich viel gelernt, in Taizé aber den Geist dessen spüren können, der vor zweitausend Jahren am Jordan gewirkt hat.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24838
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