SWR3 Gedanken

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Wir werden gerufen als Notfallseelsorger. Es ist Nacht und ein Kind ist gestorben. Der Kleine war lange schon krank. Rettungssanitäter und Notarzt, das Kindernotarztteam, sie alle haben mit den Eltern um sein Leben gekämpft schon seit Jahren und immer wieder.
Der Kleine konnte nie alleine essen, Nie ohne Unterstützung atmen. Und doch ist es der Familie gelungen ihn zuhause zu pflegen und bei sich zu behalten. Achteinhalb Jahre voll Sorge und Fürsorge:
bei ihm sein, absaugen und lagern, ihn streicheln, ihn einfach nie allein lassen.

Jetzt sind alle zusammen. Das medizinische Team wirkt erschöpft, aber auch beeindruckt, voll Respekt vor den Eltern. Hier haben alle miteinander geholfen, um dieses zarte zerbrechliche Leben zu retten.

Die Mutter hält ihr totes Kind im Arm. Wir können nicht viel tun, Wir sind einfach da. Wir legen eine Hand auf den Arm, auf die Schulter, versuchen zu klären und zu erklären:
das Kind darf bleiben, alle können sich in Ruhe verabschieden, einen ganzen Tag. Ärzte und Sanitäter verabschieden sich. Wir Seelsorgerinnen bleiben bei der Familie. Eine Nachbarin ist noch da. Sie sagt: „Euer Kind hat sich euch ausgesucht. Das hätten viele nicht geschafft.“

Der Vater nimmt das Kind in die Arme. Die Mutter geht beten. Der Vater legt den Kleinen an seinen Platz mitten im Wohnzimmer, deckt ihn zu. Wir versuchen ihm die Augen schließen. Die Mutter kommt zurück, setzt sich neben das Bett und betet weiter. Leise murmelt sie arabische Verse. Auch der Vater verrichtet sein Nachtgebet.

Wir sind beeindruckt. So viel zärtliche Liebe um das Kind. So viel Trauer. Und nun diese stille klare Art, das Kind zu verabschieden. Lange Gebete vertrauen den Kleinen Gottes Händen an. Wir verabschieden uns und sind seltsam getröstet und dankbar. Weil der kleine Mohamed in seinem Leben und in seinem Sterben nie allein war.

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