SWR2 Wort zum Tag

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Paul Hindemith hat seine Oper „Mathis der Maler“ in den ersten Jahren des Nationalsozialismus komponiert, ganz persönlich betroffen vom Terror einer gottvergessenen Zeit. Die Oper wirkt bis heute bedrückend aktuell. Hindemith zeigt, wie Menschen ihr Leben verfehlen. Im Ringen des Malers um seine Aufgabe in der Welt, im Streit um den rechten Glauben, in der Frage, wen man lieben darf und wann, in der Suche nach dem schönen Leben, nach Einfluss und wissenschaftlicher Klarheit, selbst im Kampf um die eigenen Rechte gibt es nichts unverfälscht Reines oder Gutes.

Selbst die Liebe ist vergiftet. Hindemiths Oper ist eine schonungslose Sicht auf verlorene Menschen, die sich selbst und anderen das Leben verderben, manchmal mit besten Motiven. Es ist doch ehrenwert danach zu fragen, wie man den Ansprüchen Gottes im eigenen Leben gerecht werden kann, es ist doch ein gutes Ziel, für die Freiheit des Menschen zu kämpfen, ja bereit zu sein, das eigene Leben zu opfern. Hindemith stellt dies jedoch weise und zugleich schonungslos neben die Lust auf Geld, Wissen und Macht – jedenfalls, wenn Menschen nur noch auf sich und ihre Ziele schauen und die Nächsten aus dem Blick verlieren.

Künstler sind immer wieder durch politische Verhältnisse herausgefordert worden, und umgekehrt fordern sie diese heraus, das ist unbequem. Hindemith musste ins Exil gehen, anderen, wie dem inzwischen verstorbenen chinesischen Künstler und Friedensnobelpreisträger Liu Xiaobo, ist das Exil bis zu seinem Tod verweigert worden. Noch jede Diktatur hat Schwierigkeiten mit ihren Künstlern. Viele Künstlerinnen und Künstler arbeiten deshalb unter Lebensgefahr. Ich habe große Bewunderung für sie alle, denn ich weiß, dass Menschen ein tiefes Bedürfnis nach Kunst haben. Ich weiß, dass jede Gesellschaft Kunst und ihre Künstler braucht, auch als kritisches Korrektiv. Kunst steht – auch – für die Sehnsucht nach Wahrheit. Und Kunst kann aufzeigen, wenn Menschen das Gute zerstören und das Schöne. So sind Künstler und ihre Kunst Hoffnungszeichen für Menschen.

Kirche und Kunst haben eine gemeinsame Geschichte, die durchaus spannungsreich ist. Gemeinsam ist beiden, dass sie unbequem sein können für menschenfeindliche Regimes, und dass sie nahe an ihrem Auftrag sind, wenn sie sich nicht verbiegen lassen. Paul Hindemith hat gewusst, dass sowohl Kirche als auch Kunst nicht gefeit sind, ihren Auftrag zu verfehlen. Und dass sie Hoffnungsträger für die Menschen sind, wenn sie sich selbst und ihrem Auftrag treu bleiben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24753
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