SWR2 Wort zum Tag

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Am 29. August 1940, heute vor 77 Jahren und mitten im Krieg, wurde der Grundstein für Taizé gelegt. Der spätere Prior der Gemeinschaft, Frère Roger, kaufte ein Haus in der damaligen freien Zone in Frankreich, nahe Cluny. Aus diesem bescheidenen Anfang entstand eine Bewegung, die bis heute jährlich tausende Menschen, vor allem Jugendliche, anzieht.

Taizé ist ein Forum und bietet wichtige Impulse für Gespräche und Begegnungen über konfessionelle Grenzen hinaus. Ich selbst bin mit 16 Jahren zum ersten Mal in Taizé gewesen. Die Anreise war damals zeitaufwändig und umständlich, mein Schlafplatz eine Holzpalette in einem großen Armeezelt, durch das bei Regen ein kleiner Fluss strömte. Trotzdem bin ich auch später noch öfter gekommen. In Taizé habe ich Jugendliche aus aller Herren Länder kennengelernt und mich mit ihnen verständigt, obwohl wir manchmal buchstäblich nur mit Händen und Füßen kommunizieren konnten. Immerhin: Beim gemeinsamen Singen mit Frère Jacques Berthier fanden wir zu einem gemeinsamen Klang.

In einem Gesprächskreis, zu dem mich einer der Brüder von Taizé eingeladen hatte, berichteten Christen über die Situation ihrer Kirchengemeinden im damaligen Ostblock, hier half ein Übersetzer, zu verstehen, wovon die Christen aus Polen oder der Tschechoslowakei erzählten. Sowohl spirituell als auch politisch hat mir Taizé geholfen, über Grenzen zu blicken. Sogar Schweigen lernte ich, denn in Taizé gab es die Möglichkeit, etwas abgeschieden vom Trubel eine Woche in der Stille zu verbringen.

So beeindruckend es war – nicht alles fand ich gut. Ich bin schon immer skeptisch gegenüber Personenkulten gewesen, und dem Hype um Frère Roger konnte ich wenig abgewinnen. Aber ihm ist etwas sehr Wichtiges gelungen: Er hat jungen Menschen einen Ort geschenkt, an dem sie sich spirituell auf die Suche begeben können.

Darüber hinaus beeindruckt das soziale und gesellschaftspolitische Engagement, das die Ungerechtigkeiten der Welt nicht glattbügelt, sondern diskutiert und den Jugendlichen ins Bewusstsein ruft. Jugendliche brauchen solche Orte. Der nachhaltige Erfolg von Taizé zeigt, dass die Gemeinschaft von Taizé ein Gespür dafür hat, was Jugendliche brauchen. Es sind nicht Luxus oder das faule Leben, es sind Herausforderungen und die Möglichkeit, über das Gewohnte hinauszuwachsen. Das Leben von Jugendlichen hat sich seit den 1940er Jahren entscheidend verändert. Das Bedürfnis nach geeigneten Orten und diesen Herausforderungen ist geblieben.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24752
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