SWR2 Wort zum Tag

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Ich bin ein Fan vom Paternoster. Ein Aufzug, den es nur noch in wenigen Gebäuden gibt. Meist in älteren Bürohäusern, Banken oder Verwaltungen. Der Paternoster, das ist eine Art Aufzug. Hier gibt es offene Kabinen, die übereinandergestapelt sind und dauernd fahren ohne anzuhalten. Wer mitfahren will, muss keine Tür aufmachen, sondern in die langsam laufenden Kabinen einsteigen. Ein bisschen Übung gehört dazu.

Warum die Aufzüge Paternoster heißen? Pater noster ist Latein. Übersetzt heißt das „Vater unser“. Genauso wie der Anfang des wohl bekanntesten christlichen Gebetes: „Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name.“ Da könnte man auf die Idee kommen, der Aufzug heißt Pater noster, weil er direkt in den Himmel fährt. Ist aber nicht so. Ich hab‘s ausprobiert. Er fährt immer nur rauf und runter. Der Name geht wohl auf die dauernde Wiederholung des Vater unsers im Rosenkranzgebet zurück. So wie der Aufzug immer weiter fährt, Schleife für Schleife dreht, so kommt das Pater noster im Rosenkranz immer wieder und wieder vor. Die dauernde Wiederholung hat ihren Grund. Sie ermöglicht Meditation, Stille, bei sich sein. Weil ich einen Text spreche, den ich gut kenne, den ich fast automatisch und ohne nachzudenken rezitieren kann, wie etwa das Vater unser, entsteht eine Art Trance, ein Raum der Ruhe. Genauso meditativ kreisen in endloser Wiederholung die Kabinen des Paternosters.

Eine andere Erklärung finde ich aber auch sympathisch. Wer zum ersten Mal mit dem Paternoster fährt, der muss all seinen Mut zusammennehmen. Denn gerade wenn der Boden der Kabine langsam emporsteigt und auf einen zukommt, muss man einen mutigen Schritt wagen. Einen Schritt ins Leere, auf den aufsteigenden Boden der Kabine zu. Ich muss mich auf die Fahrbewegung einlassen, und hoffen, dass alles beim Einsteigen klappt. Da kann ich schon mal ein Stoßgebet aussprechen, ein Vater unser eben, ein Pater noster.

Der Paternoster ist ein Beispiel, wie tief der christliche Glaube bis heute im Alltag präsent ist. Auch wenn man es gar nicht weiß.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24744
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