SWR2 Wort zum Tag

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Edith Stein ist eine Frau, auf die kein Klischee passt. Die immer wieder anders ist. Ein Beispiel: Edith Stein wird 1891 in Breslau als elftes Kind eines Holzhändlers geboren. Die Steins sind Juden. Aber Edith bezeichnet sich später als Atheistin – um sich dann nach langen Jahren des persönlichen Ringens katholisch taufen zu lassen. Ein ungewöhnlicher Glaubensweg, einer, der mit allen Klischees bricht.

Eine der spannenden Facetten im Leben dieser Heiligen: Ihr Ringen um die Rolle der Frau in der modernen Gesellschaft. Ganz praktisch macht Stein deutlich, dass sie ihr Leben selbst in die Hand nehmen will. Als sie 14 ist, haut sie von zu Hause ab, lebt bei ihrer Schwester in Hamburg. Dann studiert sie und tritt lautstark für das Recht von Frauen ein, einen Beruf zu erlernen und auszuüben. Ganz bitter erfährt sie am eigenen Leib, dass ihre Ideen in den ersten Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts keine Wirkung zeigen. So legt sie zwar selbst glänzende Examina ab, schreibt eine Doktorarbeit, aber keine Universität will damals eine Frau auf einen philosophischen Lehrstuhl berufen. Nur kurz kann sie schließlich doch als Dozentin arbeiten. Dann kommt 1933 die Machtergreifung der Nationalsozialisten und sie muss ihre Vorlesungen einstellen, weil sie Jüdin ist.

Edith Stein bricht radikal mit dem akademischen Betrieb und tritt in Köln in das Kloster Karmel ein. Hier leben die Nonnen abgeschottet von der Welt, verlassen niemals ihr Kloster. Hier will Edith Stein ihren Glauben leben – und erkämpft sich doch das Recht, auch als Nonne wissenschaftlich arbeiten zu können.

Zu ihrer Geschichte gehört auch, dass eine Frau die Frauenrechtlerin Edith Stein verrät. Die Vorsteherin ihres Klosters in Köln erzählt den Nazis, dass Edith als Jüdin geboren wurde. Stein, die Papst Pius XI. vergeblich bedrängt hatte, sich für die Juden einzusetzen, muss jetzt selbst fliehen. Sie wird verhaftet und vermutlich am 9. August 1942 in Auschwitz in der Gaskammer ermordet.

Edith Stein war Jüdin und Frau. Als Frau erlebt sie gerade in der Wissenschaft, was es heißt, diskriminiert und nicht für voll genommen zu werden. Als Jüdin erlebt sie, was es heißt, wegen des Glaubens und mehr noch der Herkunft verfolgt zu werden. Beides ist ein Skandal. Und fordert mich heraus. Zu sehen und zu handeln, wo Menschen wegen ihres Seins unterdrückt und verfolgt werden – auch heute.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24743
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