SWR2 Wort zum Tag

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„Es geschehen tatsächlich noch Zeichen und Wunder.“ Die Redewendung meint: Da passiert etwas, mit dem niemand gerechnet hat. Die Kollegin hat sich doch tatsächlich an den vereinbarten Termin gehalten, obwohl sie sonst immer zu spät kommt. Der Sohn hat nicht nur wie üblich versprochen, das Bad zu putzen, er hat es auch gemacht. Ohne erneute Aufforderung. In solchen und ähnlichen Situationen heißt es dann: „Es geschehen noch Zeichen und Wunder.“

Die Redewendung stammt aus der Bibel. Hier werden mit Zeichen und Wundern außergewöhnliche Erscheinungen beschrieben. Zum Beispiel die sogenannten zehn Plagen. Gott schickt sie den Ägyptern. Die nämlich halten das Volk Israel gefangen. Als Sklaven. Und Gott will mit den Plagen die Freiheit seines Volkes erzwingen. So lässt er Heuschreckenschwärme auf die Ernte der Ägypter los, er macht aus dem Wasser des Nils eine rote Suppe, er lässt alle Erstgeborenen sterben. Das sind die »Zeichen und Wunder«, die geschehen.

Die Geschichten zeigen auf den ersten Blick einen brutalen Gott. Einen Gott, der alles aufbietet, um die Israeliten zu befreien. Ohne Rücksicht auf Verluste. Allerdings ist zu bedenken: Die biblische Erzählung von den Plagen ist kein historischer Bericht. Auch wenn es immer wieder Heuschreckenschwärme und Tod gegeben hat. Die Geschichte der »Zeichen und Wunder« will vor allem deutlich machen: Gott setzt sich für sein Volk ein. Leidenschaftlich. Er ist ein Gott, der die Freiheit will!

Eine zweite biblische Stelle ist zu nennen. Jesus greift die Redewendung von den »Zeichen und Wundern« auf. Er sieht sie kritisch. Er warnt vor all den Menschen, die »Zeichen und Wunder« zu bieten haben. Die das Blaue vom Himmel herab versprechen und wahlweise das Glück, das Heil oder auch großen Reichtum prophezeien. Und meistens dafür etwas vom Menschen wollen. So schaffen sie neue Abhängigkeiten.

Beides finde ich auch heute: Dass etwas Unglaubliches passiert – und dass mir Unglaubliches versprochen wird. Hier wie dort muss ich kritisch fragen: Worum geht es eigentlich? Um Freiheit oder um Abhängigkeit?

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24741
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