SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Jeden Tag gebe ich Geld aus. Mein Portemonnaie habe ich immer dabei. Sobald ich das Haus verlasse, gibt es Gelegenheiten, etwas zu kaufen. Ich bin immer gewappnet. Lebensmittel brauche ich, die Fahrkarte ist nicht umsonst, zwischendurch einen Kaffee oder ein Angebot, das ich zufällig im Schaufenster entdeckt habe. Kaufen macht glücklich. So heißt es, und ich spüre das ganz oft.

Bis das schale Gefühl kommt. Bis der Kick vorbei ist. Dann merke ich: Es macht mich nicht wirklich zufrieden, und glücklich schon gar nicht. Das gute Gefühl dauert nur ein paar Augenblicke. Das neue Buch; es ist toll, es zu besitzen. Aber dann steht es neben den anderen daheim im Regal. Das schicke Hemd, das ich unbedingt haben muss. Nach dem ersten Tragen ist es auch nur ein Hemd und liegt neben den anderen im Schrank. Etwas besitzen zu wollen und deshalb zu kaufen, das kann bei manchen Menschen wie eine Sucht sein. Es versetzt sie in eine Stimmung wie bei einem Rausch, bis die Nüchternheit sie wieder auf den Boden der Tatsachen zurückführt.

Heute Abend frage ich: Was habe ich heute mit meinem Geld gemacht? Wann habe ich das letzte Mal für etwas Geld ausgegeben, das mich wirklich glücklich gemacht hat? Nicht nur für ganz kurze Zeit, sondern auf die Dauer und nachhaltig. Gibt es sogar etwas, das bleibt, weil ich dafür meinen Geldbeutel aufgemacht habe, das den kurzen Augenblick überdauert? Doch, da fallen mir schon Sachen ein. Sie haben alle mit anderen Menschen zu tun. Richtig glücklich gemacht hat mich das Kaufen nur dann, wenn ich mein Geld für andere ausgegeben habe.

Mein erster Chef hat mich immer zum Essen eingeladen, wenn ich mit ihm unterwegs war. Irgendwann hat er nebenbei mal einen Satz fallen lassen: „Ich verdien’ so viel wie ein Familienvater mit zwei Kindern. Und so geh’ ich auch mit meinem Geldbeutel um.“ Das hat mich schwer beeindruckt, wie schlicht und klar er das gesagt und wie konsequent er es gehandhabt hat. Er war immer großzügig. Und hat die eingeladen, von denen er gewusst hat, dass sie weniger verdienen als er. Ich hab mir vorgenommen, das später eben so zu machen. Immer, wenn ich mich daran gehalten habe, war das hinterher auch für mich schön. Es tut mir immer selbst gut, wenn ich großzügig bin oder gastfreundlich. Es kommt vor, dass ich mir Gedanken mache, ob ich mir das leisten will, oder ob ich mein Geld lieber zusammenhalten soll. Für mich. Für später. Zur Sicherheit. Aber dann merke ich meistens, dass mich das nicht glücklich macht.

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