Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Ein leuchtend rotes Tuch. Im Krankenzimmer fällt so etwas auf. Als ich eintrete, fällt es mir sofort ins Auge. Das leuchtend rote Tuch auf dem Kopf einer Patientin. Die Patientin trägt es mit viel Würde und auch Stolz und es steht ihr einfach gut.

Die Geschichte dahinter ist weniger gut. Die erste Chemotherapie hat nicht angeschlagen, die zweite auch nicht. Das waren verzweifelte Tage, keine Aussicht auf Besserung, und immer die Sehnsucht nach ihren Kindern, nach Zuhause. Darüber haben wir oft gesprochen, manchmal unter Tränen.

Dann, auf einmal trägt sie das leuchtend rote Tuch. Ein neuer Therapieversuch hat begonnen. Sie ist zuversichtlich und ich merke, was ich die ganze Zeit schon an ihr bewundert habe: ihren unerschütterlichen Glauben.

Ihren Glauben daran, dass sie es schafft. Daran, dass Gott ihr helfen wird und dass ihre Familie zu ihr steht. Und ihr Glaube an das Können und den guten Willen der Ärzte und Pflegenden. Dabei weiß sie ja: Auch mit einem festen Glauben kann es sein, dass sie nicht geheilt wird. Daher hat sie oft auch Angst. Nicht immer ist ihr zum Lachen zumute. Aber sie versucht, ihrem Leid irgendwie die Stirn zu bieten.

Eine  Bettnachbarin schüttelt erst den Kopf. Sie ist irritiert über das Lachen im Bett nebenan und die knallrote Farbe. Aber als ich sie später auf dem Flur treffe, meint sie: „Das steckt einfach an, so viel Hoffnung und Humor. Ich wär gerne so – und es ist gut, so jemanden um sich zu haben“  Der Weg, den die Patientin mit dem roten Tuch gehen muss, der ist alles andere als einfach. Wird auch so schnell nicht einfach werden.

Aber das rote Tuch trägt sie wie zum Trotz. Nach dem Motto: Ich gebe nicht auf. Gegen die weiße Krankenhauswand Farbe und Hoffnung und Zuversicht setzen. Wenn der Ausgang auch ungewiss ist. Manchen Bettnachbarn und auch mir macht sie so Mut. Und ich glaube: Nur so kommen wir manchmal durch. Mit Menschen, die trotz allem auf Gott vertrauen. Und die sich trauen, Farbe in traurige Zeiten zu bringen.

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