Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Iieh, wie ekelig“, „das ist ja phantastisch“, zwei Reaktionen auf ein und die gleiche Sache. Auf Kunst. In der Kirche der Festung Ehrenbreitstein in Koblenz gibt es zur Zeit eine Ausstellung der Mainzer Künstlerin Cornelia Rößler mit dem Titel Verletzlichkeit. Frau Rößler beschäftigt sich in ihrem künstlerischen Schaffen mit dem Thema Haut, diesem größten menschlichen Organ. Auf der Festung Ehrenbreitstein hat sie alle Fenster der Kirche. mit einer lichtdurchlässigen Folie bezogen. Und auf dieser Folie sind Nahaufnahmen von Haut. Wenn man in die Kirche reinkommt, nimmt man dies im ersten Moment gar nicht so richtig wahr. Erst wenn man näher tritt, wird einem klar, was dort abgebildet ist. Man sieht hellere und dunklere Haut, man sieht kleine Härchen, Narben, man erkennt Tatoos, Piercings, Altersflecken, Muttermale, Falten und Runzeln. Alles, was so vorkommt auf der Haut. Einige reagieren dann mit diesem „Iieh, wie ekelig“, denn stark vergrößert entsprechen die Bilder nicht immer dem allgemeinen Schönheitsideal. Andere empfinden das als eine phantastische Idee, wie man dem Betrachter das Thema Haut näher bringen kann. Mich selbst regen diese Bilder an über die Vielfältigkeit menschlichen Lebens nachzudenken. Ob einer mit Schippe und Hacke oder in erster Linie mit dem Bleistift arbeitet, die Haut der Hände verrät das. Und auch die Vergänglichkeit des Lebens wird an der Haut deutlich, da kann man soviel cremen wie man will, irgendwann sind die Altersflecken nicht mehr zu kaschieren. Das Leben hinterlässt Spuren.

„Iieh wie ekelig“ „phantastisch“ zwei Reaktionen auf die gleiche Kunst. Ich finde das gut. Denn gute Kunst ruft Reaktionen hervor. Egal ob Zustimmung oder Ablehnung. Das schlimmste was Kunst passieren kann, wenn die Leute lediglich sagen: „Schön“ oder noch schlimmer: „nett.“

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24633
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