SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Ich finde den folgenden Witz einfach gut. Herrlich, wie selbstverständlich sich da einer auf die falsche Fährte führen lässt:
Eine Besuchergruppe lässt sich durch eine psychiatrische Anstalt führen. Einer der Besucher fragt den Chefarzt: „Wie finden Sie heraus ob ein Patient zwangsweise eingeliefert werden muss oder nicht?“

“Das ist ganz einfach”, sagt der Chefarzt. “Wir füllen eine Badewanne mit Wasser. Dann geben wir dem Patienten einen Löffel, eine Tasse und einen Eimer und sagen ihm, er solle die Badewanne entleeren.”
“Aha, ich verstehe”, sagt der Besucher. “Eine normale Person nimmt natürlich den Eimer, weil der größer ist und es damit am schnellsten geht. Während der Idiot die Tasse oder gar den Löffel benutzt.”
„Naja“, antwortet der Chefarzt. “Eine normale Person zieht einfach den Stöpsel aus der Badewanne.
Möchten Sie ein Zimmer im Erdgeschoss oder eines mit Aussicht und Balkon?”

Herrlich, wie einfach sich der neugierige Besucher auf die falsche Fährte führen lässt. Herrlich, wie auch ich selbst, als ich den Witz zum ersten Mal gehört habe, mich ebenfalls überführt sah, weil ich natürlich genau den gleichen Schluss gezogen hatte, wie der neugierige Herr. Wie war es bei Ihnen?

Wie schnell kann man in der subjektiven Wahrnehmung einer Situation auf der falschen Spur sein, weil man ein ganz bestimmtes Bild vor Augen hat. Das gilt für die Beurteilung einer Sache ebenso wie für einen Menschen.

Ich kenne das nur zu gut. Oft sehe ich immer gleich und sofort das, was der andere schlecht oder falsch gemacht hat. Ich grenze mich ab. Ich ziehe vielleicht sogar über ihn her und nenne ihn einen Idioten. Nur weil er mich auf etwas aufmerksam gemacht hat, was ich nicht gesehen habe. Und im Nachhinein merke ich: er hatte recht.

Jesus hat dazu folgendes gesagt: Was siehst du aber den Splitter in deines Bruders Auge und nimmst nicht wahr den Balken in deinem Auge? (Mt 7,3).
Er wendet den Blick, weg vom anderen, hin zum eigenen Ich, und zieht damit, um im Bild zu bleiben, jeder Selbstherrlichkeit, die ja immer nur im eigenen Ich badet, sei es bewusst oder unbewusst, den Stöpsel aus der Wanne. Und das verändert die Perspektive. Grundsätzlich.

Vielleicht erinnern Sie sich heute oder morgen in der einen oder anderen Situation daran. Ich jedenfalls will es versuchen und für mich im Gedächtnis behalten: Manchmal ist es gut, wenn mir einer den Stöpsel aus der Wanne zieht!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24592
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