Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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Der Mensch als Krone der Schöpfung. Der herrscht über alles Getier. Das war lange die Idee, wie man mit Tieren umgehen soll. Inzwischen wissen wir: wir brauchen die Tiere. Und wir brauchen sie alle. In ihrer ganzen Artenvielfalt.

Vielleicht muss man mal mit einem Tier zusammenleben, um das zu verstehen. Bei uns war es jedenfalls unsere Katze. Sie hieß Mokka und war braun wie Schokolade. Mokka hat mein Weltbild ziemlich erschüttert.

Von wegen- wir Menschen sind überlegen! Unsere Katze war hilfsbereiter und höflicher als viele Menschen, die ich kenne.

Als Mokka kam, waren die Nachbargärten voller Wühlmäuse. Aber Mokka hat so aufgeräumt, dass ihr der Dank unserer Nachbarn sicher war. Und sie hätte sich locker eine Zweitwohnung nebenan leisten können. Aber Mokka blieb uns treu. Obwohl sie bei uns nie Leberpastete mit Petersiliensträußchen gekriegt hat.

Unseren Kindern hat sie ganz nebenbei gezeigt, was gute Manieren sind. Nie hat sie die Wohnung betreten ohne Begrüßungsritual. Dazu hat sie ihren Schwanz steil nach oben gestellt, ist uns einmal um die Beine gestrichen und hat sich dann wie eine Diva auf den Boden geworfen. Um sich durchkraulen zu lassen. Erst danach ist sie zum Fressnapf geschritten. Geschritten wohlgemerkt. Auch wenn sie völlig ausgehungert war. Seitdem weiß ich: wer schlechte Manieren hat, kann sich nicht auf das Tier im Manne oder in der Frau berufen.

Nur eine Situation hat es gegeben. Da habe ich mich wirklich überlegen gefühlt- so ein bisschen wie die Krönung der Schöpfung. Und das war vor dem Kühlschrank.

Da hatte Mokka keine Chance. Die Macht über die Kühlschranktür- die hatte nur ich. Aber auch damit ist Mokka spielend fertig geworden. Wenn sie mich mit ihren großen Katzenaugen und gefalteter Stirn angeschaut hat. Dann hat sie aus der Herrin über die Fleischwurst eine willige Dienerin gemacht.

Dafür aber hat sie sich immer revanchiert. Mit einer sehr dicken Maus auf dem morgendlichen Bettvorleger. Nun, an der Stelle war doch klar: unsere Geschmäcker waren verschieden. Es gibt halt doch Unterschiede. Es gibt die Artenvielfalt. Hoffentlich noch sehr lange.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24581
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