SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Was für ein herrlicher Ausblick! Da ist die besonders große Anstrengung für das letzte steile Stück Weg bis zum Gipfelkreuz schnell vergessen. Der Aufstieg hat sich gelohnt, ich könnte Stunden hier oben verbringen und mir die frische Luft um die Nase wehen lassen. So zwischen Himmel und Erde.
Mein Mann und ich machen gern Urlaub in den Bergen.
Wir haben festgestellt, dass uns diese Wanderungen sehr gut tun, an Leib und Seele. Wir sind oft stundenlang allein unterwegs, manchmal geht jeder still vor sich hin und hängt seinen Gedanken nach. Und dann unterhalten wir uns auch viel - ohne abgelenkt zu sein. Nicht selten kommen Dinge zur Sprache, die uns unbewusst beschäftigen. Dafür nehmen wir uns im Alltag oft nicht die Zeit oder denken gar nicht daran. Manchmal habe ich das Gefühl, dass wir mit jedem Kilometer, den wir aufwärtssteigen, Dinge unten zurücklassen, die uns im Alltag belasten, über die wir uns streiten. Die uns den Blick verstellen. Manchmal den Blick auf' s Wesentliche.
So habe ich auf so mancher Wanderung das Gefühl, dass wir je näher wir dem Berggipfel kommen auch einen immer besseren Blick auf unser gemeinsames  Leben bekommen. Als würden wir von oben drauf schauen, ganz in aller Ruhe. Gemeinsam erst in die eine, dann in die andere Richtung. Von oben sieht alles ganz anders aus! Wie systematisch die Häuser angeordnet sind, wie gleichmäßig gewunden manche Straßen und Wege. Wie sich Entfernungen relativieren.
Vielleicht können wir mit einem Blick von oben im übertragenen Sinn auch so manche Begebenheit in unserem Leben besser einordnen, können wir erkennen, wie nah oder wie fern wir uns manchmal sind. Welche Wege uns zueinander führen und welche uns voneinander wegbringen. Vielleicht sehen wir dabei auch, dass manche Dinge, die uns mal wichtig waren, in den Hintergrund geraten sind.
Für diesen Blick von oben muss ich natürlich nicht unbedingt auf einem Berg stehen. Es muss einfach ein Ort der Stille sein, an dem ich mich freier fühle, einen weiten Blickwinkel habe, Abstand zum Alltag.
Die Menschen haben diesen Blick aus der Distanz wohl schon immer gesucht und auch gebraucht. In der Bibel ist an vielen Stellen die Rede davon, dass Menschen auf Berge steigen, manchmal vor großen Entscheidungen. Auch von Jesus wird berichtet, dass er hin und wieder Ruhe auf einem Berg gesucht hat, oder in der Wüste um nachzudenken und zu beten.

Diesen Blick von oben braucht es einfach hin und wieder und es ist gut sich dafür Zeit zu nehmen und sich manchmal auch ein bisschen anzustrengen, wie bei einer Bergtour.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24557
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