SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Wie lange machst du noch?“ oder „Wie lange musst du noch?“ – Wenn man über 60 ist, wird man das immer mal wieder gefragt. Das Ende des Berufslebens ist in Sicht und je nachdem wie man das für sich regelt, dauert es noch ein bisschen oder es ist gleich soweit. Auf alle Fälle ist es gut, wenn man sich schon mit der Zeit danach beschäftigt hat. Denn eine gute Zeit soll es werden.

„Meine beste Zeit ist jetzt!"- diese Überschrift in einer Zeitschrift - hat mich neugierig gemacht. Weil ich denke, dass meine beste Zeit wohl schon eine Weile zurückliegt. Denn die verbindet man ja in der Regel mit jüngeren Jahren und ich bin Anfang 60. Trotzdem habe ich weitergelesen. „In jedem Leben gibt es eine Glanzzeit", stand da, „die einen erleben so eine Phase im frühen Erwachsenenalter, die anderen in der Lebensmitte und andere haben mit 60 ihre besten Jahre noch vor sich." Na das wäre ja toll! Ein bisschen musste ich schmunzeln.
Aber dann habe ich mir überlegt – es kommt doch auf die Perspektive an: Ich habe den größten Teil meines Lebens gelebt, Kindheit und Jugend liegen lange zurück. Viele sehr schöne Zeiten hab ich erlebt, aber ich könnte mich jetzt nicht darauf festlegen, welche nun die beste gewesen ist. Es hat in jeder Phase meines Lebens viel Schönes gegeben. Natürlich auch Schweres, aber das Gute überwiegt, glücklicherweise.
Aber warum soll die Zeit, die ich gerade erlebe oder die, die unmittelbar vor mir liegt, nicht auch eine der besten Zeiten werden? Im Nachhinein betrachtet habe ich für mich doch vieles abgeschlossen. Und ich möchte es auch gar nicht nochmal erleben, so schön es auch war. So wie es jetzt ist, ist es gut. Ich habe meine Lebenserfahrung, die mir hilft, jetzt gut zu leben. Ich kenne mich viel besser als noch früher, meine Stärken, meine Schwächen und habe gelernt, damit umzugehen. Ich bin gelassener, traue mich auch mal Nein zu sagen. Und versuche mich auf die Dinge zu konzentrieren, die mir wirklich wichtig sind.
„Die beste Zeit ist jetzt!“ Da scheint doch mehr dran zu sein, als ich zunächst gedacht habe. Und wenn es mir gelingt, mich von meinem Berufsleben zu lösen und neue, schöne Beschäftigungen zu finden, dann könnte ich tatsächlich eine beste Zeit erleben. Mit mehr Zeit für den Garten, Musik oder die Enkelkinder.
Wenn ich diese neue Lebensphase gesund erleben darf und sie nicht so sehr mit Nutzen, sondern viel mehr mit Sinn erfülle, dann kann ich wirklich eine wunderbare Zeit erleben - die beste, die ich jetzt haben kann. Natürlich, wenn Gott will – denn vieles liegt nicht in unserer Hand. Aber ich vertraue darauf, dass er mich diese Zeit erleben lässt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24556
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