SWR2 Wort zum Tag

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Normalerweise sind Madonnen-Bilder ja eher süß oder lieblich; dies hier steht dazu im Widerspruch – und hat Skandale ausgelöst…

„Maria mit dem Kinde lieb uns allen deinen Segen gib. Amen“ Das hab ich im Kindergarten von Schwestern Agnes gelernt, als Schluss des Abendgebets. Sechzig Jahre ist das her…

… und passt kaum zu dem Marienbild, das mir inzwischen eines der liebsten geworden ist. Max Ernst hat es gemalt – es hängt im Museum Ludwig in Köln. Im nach oben offenen Raum sitzt eine junge Frau mit schmalem Heiligenschein, knöchellanger blauer Rock, enganliegendes rotes Oberteil, weit ausgeschnitten. Mit dem rechten Arm holt sie weit aus, gleich wird sie dem blondgelockten Kind auf ihren Knien auf das bereits gerötete Hinterteil schlagen. Links schauen drei Personen durch ein kleines Fenster in der Wand und erleben die Szene von außen mit. Das Kind hat übrigens seinen Heiligenschein verloren – der liegt links am Boden.

Maria mit dem Kinde lieb? – hier scheint das Kind gerade eher böse gewesen zu sein. Und die Mutter – obwohl ihr Gesicht im Schatten liegt? Selbst wenn das Kind eine Strafe verdient hätte: Schlagen geht doch wohl gar nicht – und wäre mehr als „nicht lieb“. „Die Jungfrau züchtigt das Jesuskind vor drei Zeugen: André Breton, Paul Éluard und dem Maler“, heißt das Bild. Breton und Eluard waren Malerkollegen. Das Bild hat Skandale ausgelöst – in Paris, 1926, in der Ausstellung der Surrealisten.

In Köln wurde es ein Jahr später dann auch gezeigt; da verlangte der Erzbischof: Abhängen. Und sein Generalvikar hat den Maler öffentlich aus der Kirche ausgeschlossen und in einer KatholikenVersammlung ein dreifaches Pfui Pfui Pfui über ihn ausgerufen… Skandalös dabei war übrigens nicht die Gewalt gegen das Kind – als  Skandal galt der runtergerollte Heiligenschein.

Also: Selbst den Kirchenleuten aus dem vorigen Jahrhundert scheint wohl klar gewesen zu sein, dass es manchmal weniger lieb zuging im Hause Jesus Maria Josef. Ja, der JesusKnabe war auch ein Bengel – ein normales Kind eben, mit einem allmählich ausgeprägten Selbstbewusstsein. Mit zwölf allein zurückzubleiben in Jerusalem – das war doch mutig.

Mein Lieblings-Marienbild, habe ich gesagt, weil es genau das so drastisch zeigt: der GottesSohn ist auch MenschenSohn – so sehr normal, dass der Heiligenschein verloren gehen kann. Einer wie du und ich und unsere Kinder und einfach jeder andere Mensch. Wie beides zusammenpasst? Schwierig zu erklären. Aber schön zu glauben – und wie gesagt: Max Ernst hat es einfach prächtig gemalt!

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24499
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