SWR2 Wort zum Tag

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Heute ist Allerheiligen. Der Tag geht zurück ins 4. Jahrhundert und wurde ursprünglich am Sonntag nach Pfingsten gefeiert, wegen der Nähe zu Ostern. Denn Allerheiligen war das Osterfest der Heiligen, ihr Auferstehungsfest.
Um 800 wanderte es in Irland auf den 1. November, den Neujahrstag des keltischen Jahres. Neben der Verbindung mit Ostern wurde jetzt die Jahreszeit wichtig: über der vergehenden Natur scheint die unvergängliche Welt der Heiligen auf.
Auferstehung der Heiligen, neues Leben aus dem Tod wird hier gefeiert. Ostern war nicht nur ein einmaliges Ereignis für Jesus persönlich, auch nicht ein allgemeines Versprechen für die Menschheit, sondern ganz bestimmte Menschen haben ihr Ostern erreicht, das Leben konkreter Menschen ist vollendet. Allerheiligen sagt: Gottes Liebe kommt tatsächlich zum Ziel. Menschen können erreichen, was Gott sich gedacht hat, als er sie ins Leben rief. Das hat die Kirche zuerst von Maria, der Mutter Jesu, angenommen und dann von den Märtyrern, die für ihren Glauben gestorben sind, schließlich von anderen Menschen, deren Leben dem Evangelium besonders nahe kam. Viele hat die Kirche im Lauf der Jahrhunderte für heilig erklärt. Ihnen gilt das Fest Allerheiligen, und auch denen, die heilig sind, ohne von der Kirche heiliggesprochen zu sein. Dieser Gedanke wurde im 20. Jahrhundert ausdrücklich mit dem Fest verbunden.
In einem der liturgischen Gebete für heute heißt es: „Gott, im Himmlischen Jerusalem loben dich auf ewig... unsere Brüder und Schwestern, die schon zur Vollendung gelangt sind.“
Allerheiligen – ein altes Fest also, das Vergangenheit und Zukunft umfasst. Es verbindet uns mit der bunten Schar derer, die vor uns geglaubt und die Bruchstücke ihres Lebens schließlich Gott in die Hände gelegt haben. Und es lädt ein: Glaube an das Ostern für Dich, habe Vertrauen, dass dein Leben sich vollendet.
Allerheiligen gibt aber auch Impulse dafür, wie wir jetzt schon unser Leben verstehen können. Glauben, dass ich vollendet werde, ist schließlich keine bloße Zugabe, die das Leben vorher unverändert lässt. Auf Vollendung zugehen bedeutet nach christlichem Verständnis zum Beispiel: es gehört zum Menschen, auf Gott angelegt zu sein. Wir leben nicht allein aus uns selbst und den andern und der Natur. Und wir leben nicht nur für uns und die andern. Wenn wir das versuchen, bleibt ein Teil von uns unentwickelt, unverwirklicht. Denn wir fragen, ahnen und spüren ja auch über all das hinaus.
Das Fest Allerheiligen erinnert also daran, dass in jedem Menschen Unauslotbares begegnet. In religiöser Sprache heißt das: In jedem Menschen scheint auch etwas auf von Gott. Zu jedem Menschen gehört eine offene Zukunft. Menschen können heilig werden, d.h.: Leben kann glücken, kann gelingen, auch wenn es gescheitert oder fragmentarisch erscheint. Und es gehört zum Leben, über das Sichtbare und Fassbare hinauszublicken.
Mir scheinen solche Gedanken z.B. dann wichtig, wenn wir über Menschenwürde nachdenken. Denn sie unterstreichen, dass ein Mensch mehr ist als ein Körper und seine Funktionen, als seine Taten und sogar als seine Gedanken und Gefühle. Was das ist, dafür hat wohl nur die religiöse Sprache Worte. Eines davon ist das Wort heilig. Wir können es vielleicht übersetzen mit: ganz in der Sphäre Gottes leben und so zu sich selbst kommen. Wer darauf zugeht, darauf hinlebt, trägt jetzt schon Heiliges in sich. Auch deshalb muß uns das Leben jedes Menschen heilig sein.
Ich wünsche Ihnen einen gesegneten Feiertag.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=2434
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