SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Wenn ich in einem Konzert sitze, dann finde ich es immer faszinierend, wenn die Musiker zu Beginn ihre Instrumente stimmen. Die Oboe spielt das A, und dann beginnt ein scheinbares Durcheinander, bis alle ihr Instrument auf diesen Grundton gestimmt haben. Die Musiker brauchen dazu feine Ohren, denn wenn es hier nicht stimmt, kann das Zusammenspiel  nicht gelingen… 

Im menschlichen Miteinander braucht es das auch. Nur wenn wir uns aufeinander einstimmen, können wir ohne störende Missklänge in Beziehung sein. Ich merke immer wieder, wie wichtig es ist, die Stimmung wahrzunehmen, in der sich mein Gegenüber gerade befindet. Ist er oder sie fröhlich oder niedergedrückt, gelangweilt oder voller Enthusiasmus? Normalerweise drückt sich unsere Stimmung in unserem Gesichtsausdruck und in unserer Körper-Haltung aus. Ich muss nur hinschauen und hinhören. Gefühle teilen sich mit, wenn wir offen zueinander sind. Wir können mitschwingen  und an den Gefühlen eines anderen Anteil nehmen. 

So lernen schon kleine Kinder  Mitgefühl und Empathie. Intuitiv ahmen sie die  Mimik ihres Gegenübers nach.  Lacht man sie an, beginnen sie zurück zu lachen und empfinden so selbst Freude. Weint man, lassen sie sich ebenso anstecken und werden traurig. Daher ist es wichtig, ihnen gegenüber offen und authentisch zu sein. 

Als Erwachsene haben wir allerdings auch gelernt, unsere Stimmungen und Gefühle zu verbergen. Da hilft es, feinfühlig nachzufragen: „Du siehst heute irgendwie bedrückt aus. Ist etwas passiert?“ Dann kann der andere sich mitteilen und sagen, wie es ihm zumute ist, und ich kann ihn besser verstehen. 

Dazu braucht es  Vertrauen. Denn mich offen zu zeigen, das macht mich auch verletzlich. Deswegen sind ehrliche Gespräche so schwierig, wenn man Konflikte miteinander hat. Oft verstummen wir dann oder werfen uns nur gegenseitig Vorwürfe an den Kopf.  

Wenn wir „verstimmt sind“  hilft es deshalb, wieder den Grundton zu hören. Die Bereitschaft zuzuhören ist dabei ganz wichtig.  Sich Zeit zu nehmen, nachzufragen, den Grund der Verstimmung verstehen zu wollen und jeden erst mal so zu akzeptieren,  wie er ist. Dann kann sich der Missklang klären – und das Vertrauen zueinander kann wieder wachsen. Und mit diesem Grundton kann das Zusammenspiel von Neuem gelingen. 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24332
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