SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es gibt etwas geschenkt,--  umsonst. Das müsste doch eigentlich jedem gefallen. Für die Mutter einer Konfirmandin hat das aber nicht gestimmt. Sie hatte ein schlechtes Gewissen. Zum Fest der Konfirmanden haben alle Konfirmandeneltern etwas zu Essen mitgebracht. Aber irgendwie war dieser Mutter die Verabredung entgangen. Nun war das Büffet üppig bestückt. Aber sie hat es nicht genießen können. Sie hatte ein schlechtes Gewissen, weil sie nichts dazu beigetragen hatte. Etwas umsonst bekommen - das ist ihr schwergefallen. Und mir ist es nicht leichtgefallen, sie zu trösten, weil es mir oft genauso geht. Ich meine auch oft, ich müsste etwas zurückgeben.

In diesem Jahr erinnern wir in der evangelischen Kirche an Martin Luther und wir begehen das Jubiläum der Reformation. Oft ist dann die Rede von Luthers Grundsatz: Selig werden „allein aus Gnade“. Das heißt so viel wie: Du kannst dir die Liebe Gottes nicht verdienen, nicht erarbeiten oder kaufen; sie ist immer ein Geschenk, eine Gnade.

Und ich frage mich: Wenn es im ganz alltäglichen Miteinander schon so schwierig ist, sich etwas schenken zu lassen, wie viel schwerer ist es, sich das vorzustellen: Dass Gott uns ohne Vorbedingung akzeptiert, dass er gnädig ist, dass er uns seine Liebe schenkt. Man kann Gottes Liebe nicht erkaufen. Nicht mit Geld, wie die Menschen im Mittelalter geglaubt haben, auch nicht mit guten Werken und nicht mit Prozessionen und Wallfahrten. Gott ist nicht käuflich.

Das widerspricht den Tugenden, für die wir eine ganze Reihe Sprichworte haben: Dem Tüchtigen lacht das Glück! sagen wir. Oder: Müßigkeit ist aller Laster Anfang. Schaffe, schaffe, Häusle baue. Alles Lehrsätze, die uns zu fleißigen Menschen erziehen wollen. Und Regelsätze, die es uns schwermachen, wenn wir etwas umsonst annehmen sollen.

Auch Martin Luther ist es erst mal schwergefallen, sich Gott großzügig vorzustellen. Er hat versucht, ein ganz besonders guter Mönch zu sein. Aber dann war das für ihn eine befreiende Entdeckung: Wir müssen Gott nicht gnädig stimmen. Wir können großzügig sein mit uns – weil Gott es auch ist. Auch schon mal bei ganz alltäglichen Dingen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24331
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