SWR2 Wort zum Tag

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„Wo hast Du denn Deine Augen?“ ruft mein Beifahrer. Ich hätte die Fußgängerin am Zebrastreifen sehen müssen: Ich habe in ihre Richtung geschaut, war nicht abgelenkt. Aber ich habe sie nicht gesehen. Gott sei Dank ist nichts passiert. Ich habe sie nicht gesehen.

Es passiert schnell Schlimmes, wenn man Menschen aus den Augen verliert. Egal ob unbewusst oder bewusst. Wie in dem bitterbösen Konflikt in den ersten Kapiteln der Bibel. Zwischen zwei Frauen und einem Mann:
Die Eheleute Sarah und Abraham können keine Kinder bekommen. Die altorientalische Sitte erlaubte in diesem Fall, dass die Leibmagd der Ehefrau an deren Stelle tritt. Hagar, die Magd, Ausländerin, Hagar also übernimmt für ihre Herrin Sarah die „Leihmutterschaft“. Und wird schwanger von Abraham, dem Ehemann.

Aber diese „Lösung“ hat nichts gelöst. Vielleicht hat man sich anfangs noch gefreut. Aber dann böse Blicke. Sarah sieht voll Neid, wie ihre Magd groß wird und stolz. So war das nicht gedacht. ‘Was bildet diese Ausländerin sich ein.’ Aber deren Selbstbewusstsein wächst. Die Blicke, mit der die Magd ihre Herrin Sarah bedenkt. Hämisch und brennend.
Und der Mann? Abraham spürt die Dramatik zwischen ihnen. Aber er will sich heraushalten. Er sieht Unheil kommen und sieht weg. Seine Frau will ihn zwingen, Position zu beziehen. ‘Deine Sache’ meint er. Und Sara zeigt, sie kann „Herrin“.
Und Abraham schaut zu, auch als die schwangere Hagar keinen anderen Ausweg mehr sieht, als zu flüchten.
Sarah mag triumphiert haben. Sie konnte die Andere nicht mehr sehen.

Und Abraham? Ob es seiner Feigheit zu Pass kam, als die junge Frau, die von ihm schwanger ist, flieht? Aus den Augen, aus dem Sinn? Aber er musste doch wissen, dass sie in der Wüste kaum überleben kann.
‘Wo hast Du Deine Augen,’ möchte man ihn fragen.
Oder: ‘Du Sarah, was für Augen hast Du, dass Du dem Leben so was antun kannst.’

Und mein Beinaheunfall mit der Fußgängerin fällt mir wieder ein:
‘Wo haben wir unsere Augen? Was für Augen haben wir?’
Bei uns, für uns? Immer noch, immer wieder diese Sarah- und Abrahamaugen?  Die sich vor Lebensinteressen von anderen verschließen.
Solche Augen schauen gott-los.

Das erzählt das Ende der Geschichte. Gott sei Dank ein gutes. Mitten in der Wüste findet ein Engel Hagar. Und hilft ihr ins Leben zurück. Ohne diese Engels Begegnung wäre sie gestorben.
Und dann folgt in der Bibel dieser Satz. Und Hagar nannte den Namen GOTTES, der zu ihr gesprochen hatte: El-Roi. Das heißt: Du bist ein Gott, der mich sieht.
Göttliche Augen sehen zu, dass Menschen leben können. Wo haben wir unsere Engels-Augen?

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