SWR3 Gedanken

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Meine Freundin ist Altenpflegerin und sie sagt: „Alte Menschen sind wie kleine Kinder. Du musst sie füttern, du wechselst ihnen die Windeln, du verstehst nicht alles, was sie sagen und du musst immer aufpassen, dass sie nicht hinfallen oder abhauen. Du musst dich kümmern, denn sie brauchen deine Hilfe. Und du kannst einfach nicht anders als sie lieb zu haben.“

Was sie da sagt, macht mich nachdenklich. In gewisser Weise gebe ich ihr Recht. Manche Verhaltensweisen sind am Anfang und am Ende des Lebens irgendwie ähnlich. Trotzdem finde ich dieBehauptung„Alte Menschen sind wie kleine Kinder“ irgendwie zu kurz gegriffen.

Kleine Kinder sind gewissermaßen frisch ins Leben geworfen. Haben noch keine Orientierung, keine Ahnung von der Größe und Beschaffenheit der Welt. Sie blicken immer voraus und auch ich blicke für ein Kind eigentlich immer voraus. Bei meinen Schülern frage ich mich doch eher was aus ihnen werden wird, als was sie im Kindergarten wohl alles erlebt haben. Bei alten Menschen ist das genau umgekehrt. Sie blicken zwar auch voraus auf das, was noch kommen wird, aber sie haben die Möglichkeit auch zurückzublicken. Auf viele Erlebnisse, Ereignisse und Geschichten. Im Umgang mit älteren Menschen interessiert mich eher, was sie alles erlebt haben, welche Erkenntnisse sie über das Leben haben. Wie sie die Welt beurteilen.

Im Umgang mit kleinen Kindern und alten Menschen sind die Erfahrungswerte ganz anders verteilt. Kindern stellen mir viele Fragen. Älteren Menschen kann dagegen ich die Fragen stellen. Und was mir immer wieder bewusst wird bei der Begegnung mit jüngerenoder älteren Menschen: Ich bin genau dazwischen. Ich war das eine und werde das andere. Weil das Leben eben ein Prozess ist, den wir nicht aufhalten können. Aber wir können ihn begleiten. Vom Anfang bis zum Ende. Denn eins bleibt sich gleich: Am Anfang, in der Mitte und am Ende des Lebens brauchen Menschen alle Eines: Aufmerksamkeit und Liebe.

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