SWR3 Gedanken

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Cittaslow- so heißt eine Bewegung aus Italien. Citta- slow: langsame Stadt. Fast 200 Städte in 26 Ländern gehören inzwischen zur Cittaslow- Bewegung. Wie zum Beispiel das pfälzische Deidesheim oder Überlingen und Waldkirch in Baden. Will eine Stadt dazugehören, muss sie sich auf Standards verpflichten wie umweltfreundliches Wirtschaften, Landschaftspflege und Kauf von regionalen Produkten. Vor allem aber sollen die Bewohner einander auf Straßen und Plätze begegnen.

Cittaslow hat mich sehr an das Dorf meiner Kindheit erinnert. Und an die Spaziergänge mit meinem Großvater. Fast den ganzen Nachmittag haben wir gebraucht, um die Dorfstraße zu durchqueren. Weil fast vor jeder Haustür eine Bank war. Und weil da immer jemand drauf gesessen hat. „Ah, der Herrmann Wilhelm mit seiner Enkelin!“ hat es uns entgegengeschallt. „Ei, der Vögeles Emil, hat mein Großvater gesagt, und wie?“

Von dem Plausch nach der Begrüßung habe ich nicht viel mitbekommen. Weil mich der Pfeifenkolben vom Vögeles Emil so fasziniert hat. Die Rauchschwaden rieche ich heute noch und höre, wie der Kolben brodelt. Manchmal hat die Vögeles Emma, also dem Vögeles Emil seine Frau- auch was gesagt. Dabei hat sie Kartoffeln geschält und sie laut in einen Wassereimer plumpsen lassen.

Zum Abschied haben die beiden mir durch die Haare gewuschelt und sich mit einem „Du bisch awwa groß worre!“ verabschiedet. Dann kam der nächste Besuch. Das war Cittaslow. Mehrgenerationen- Spaziergang durch die dörfliche Whatsapp- Gruppe. Das Ganze in Slow motion.
Manches lässt sich einfach nicht beschleunigen. Einander begegnen braucht Zeit. Heimat finden braucht Zeit. Sich spüren braucht Zeit. Einander lieben braucht Zeit. Cittaslow. Nicht immer, aber immer wieder.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24269
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