SWR3 Gedanken

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Eine Modedesignerin hat mal zu mir gesagt: „Kleider sind für mich sowas wie eine zweite Haut. Und die ist dafür da, dass man sich mit seiner ersten Haut versöhnt und wohl fühlt.“

Interessant! Hab ich gedacht. Ich kenne das eher andersrum. Für viele meiner Freundinnen, mich eingeschlossen, ist die zweite Haut eher eine permanente Kritik an der ersten Haut. Der Rock findet die Hüfte zu breit, die Hose meint, deine Beine müssten länger sein! Und das Kleid seufzt: von vorne geht’s ja noch, aber von hinten? Nee!
Gibt’s das wirklich? Kleidung, die dir hilft, dich mit deiner ersten Haut zu versöhnen? Haben Sie so ein Kleidungsstück?

Es klingt vielleicht komisch, aber für mich ist das mein Talar. Diese schwarze Robe, die evangelische Pfarrer immer anziehen, wenn sie Gottesdienst halten. Ursprünglich war der Talar ja ein Gelehrtenmantel. Martin Luther hat ihn getragen- in der Universität und dann auch auf der Kanzel. Talar kommt vom lateinischen talaris- und heißt: knöchellang.

Knöchellang und weit geschnitten schmeichelt der Talar immer meiner ersten Haut. Und er sorgt dafür, dass mir die einfach mal kein Thema ist. Zitternde Knie, ein geblähter Bauch, eine Schwangerschaft. Durch den Talar ist das alles einfach mal kein Thema.
Weil etwas Anderes Thema sein soll: Alles, was uns unsere Vorfahren an Lebensweisheit in der Bibel hinterlassen haben.

Unsere Tradition unserer christlichen Kultur, die Menschenfreundlichkeit Gottes, die zehn Gebote. Dafür stehe ich mit meinem Talar. Er ist die zweite Haut, die mir hilft, mich mit meiner ersten Haut zu versöhnen. Vielleicht hat der Apostel Paulus das mit der ersten und der zweiten Haut auch schon gewusst. Als er an seine Gemeinde schreibt:

So zieht nun an... als die Geliebten Gottes… herzliches Erbarmen, Freundlichkeit, Demut, Sanftmut, Geduld… Über alles aber zieht an die Liebe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24268
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