SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Geh ich zu Fuß in die Stadt, nehme ich das Fahrrad, setze ich mich doch ins Auto? Immer diese Zeitfrage! Schon ist es fast wieder zu spät, um sich noch zu Fuß auf den Weg zu machen. Den ganzen Tag über begleitet mich  der Blick auf die Uhr, und nichts scheint schlimmer, als zu spät zu kommen. „Zeit ist Geld“, lautet der Leitspruch – und ohne Geld  kriegst und bist du nichts. „Keine Zeit“, sagen die einen, vom Zeitdruck sprechen die anderen. „Warum rennst du so?“, fragt der Rabbi  den Typ,  der ohne nach  rechts und links zu schauen, an ihm vorbei rennt. „Ich gehe meinem Erwerb nach“, antwortet der Mann. „Und woher weißt du“, fragt der Rabbi, „dein Erwerb laufe vor  dir her, dass du ihm nachjagen musst? Vielleicht ist er dir im Rücken und du brauchst nur innezuhalten, um ihm zu begegnen, du aber fliehst vor ihm.“ Diese chassidische Geschichte aus vergleichsweise gemütlichen Zeiten legt den Finger auf den wunden Punkt: Zeit ist nicht nur eine messbare Größe, mit Stechuhr oder elektronischen Zeitmesser. Sie ist eine Angelegenheit der inneren Einstellung, sie hat etwas mit dem eigenen Lebensgefühl zu tun, das weiß jeder und jede. Ein kurzer Augenblick kann klebrig sein wie Kaugummi, und eine Stunde kann im Nu vergehen und möchte gar zur Ewigkeit werden vor Glück. Zeit haben hat mit innerem Frieden zu tun, mit Vertrauen und Zuversicht. Deshalb sagt zum Beispiel Meister Eckhart: „Mit Gott kannst du nichts versäumen. So wenig Gott etwas versäumen kann, so wenig kannst du mit Gott etwas versäumen.“  Da brauchen wir nicht  hektisch oder gar panisch zu werden, da brauchen wir auch  nichts zu  verdrängen oder zu verschieben, was ansteht. Wir leben  dann ganz im Hier und Jetzt  - und auf einmal ist Zeit genug da; wir leben nicht mehr unter dem Terror der Termine.  Madeleine Delbrel, die in den Slums von Paris soziale Basisarbeit machte  - und das aus entschieden christlicher Überzeugung -  , empfiehlt deshalb: „Wenn eine Sache erledigt ist, muss sie Gott überlassen werden. Sie hat dann nicht mehr das Recht, sich in etwas einzumischen, was jetzt in Angriff genommen werden soll

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24238
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