SWR2 Wort zum Tag

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„Gott steht nicht mit einem Knüppel hinter dir, sondern mit einem Glas Malvasier vor dir“.
Dieser Ausspruch wird Martin Luther zugeschrieben. Ich habe ihn von einer Weinbau-Expertin gehört. Sie fand es bemerkenswert, dass Martin Luther gerade diesen Vergleich wählt. Luther setzt damit der Vorstellung, Gott strafe und kontrolliere die Menschen, einen Gedanken entgegen, der das Gegenteil zum Ausdruck bringt. Der sagt: Gott ist wie ein Gastgeber, der seinen Gästen Gutes tut. Das Glas Malvasier meint den zur damaligen Zeit sehr geschätzten süßen Wein aus roten oder weißen Trauben. Diese kamen aus dem Süden ins raue Deutschland. Der Wein war wohlschmeckend und angenehm, angeblich ein Lieblingswein von Martin Luther.

Die Vorstellung, Gott sei einer, der misstrauisch seine Menschen beobachtet und ihre Fehler sucht und sie bestraft, ist bis heute verbreitet. Dieses Bild von Gott ist Teil einer „schwarzen Pädagogik“, bei der Gott als Allsehender und als Strafender zum Instrument gemacht wird, mit der Autoritätspersonen Erziehungsmacht ausüben.

Martin Luther kannte diese Furcht. Er hat sich vielen Selbst-Bestrafungen unterworfen in der Angst davor, Gott nicht zu genügen und deshalb verdammt zu werden. Luthers Erkenntnis vom gnädigen Gott hält dieser Angst entgegen: „Gott steht nicht mit einem Knüppel hinter dir.“ Das sagt einer, der es wissen konnte und wissen musste, war er doch selbst einer der Eifrigsten in genau dieser Erwartung gewesen.

Was für ein wunderbares Bild hingegen zeichnet der zweite Teil des Gedankens: „Gott steht mit einem Glas Malvasierwein vor dir.“ Diese Geste ist so einladend und herzerfrischend, wer könnte sich ihr entziehen?

Komm her, lass dich begrüßen und willkommen heißen, sagt sie. Setz dich dazu, du bist Gast am Tisch dieses Gastgebers. Da sind auch Andere, schau dich um. Frag sie, wer sie sind, wo sie herkommen und wohin sie gehen. Alle sind Gäste. Mach dir keine Sorgen. Es gibt keine Ehrenplätze für die, die es besonders verdient haben. Keiner wird weggeschickt. Die Einladung, dabei zu sein, gilt allen. Es geht fröhlich zu an diesem Tisch, so stelle ich mir vor. Es schmeckt allen. Keiner kommt zu kurz.

Es gibt Momente, in denen ahne ich das. In einem Gottesdienst, der das Herz erfüllt. Bei einem Gespräch, in dem ich spüre: Ich werde verstanden. Wenn ein befreites Lachen einen Knoten in einer verfahrenen Situation löst. Oder unterwegs, in der frühlingsgrünen Landschaft: Mein Blick wird weit. Ich atme auf.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24205
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