SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

Das Leben ist ein Geschenk. Aber Geschenke sind bekanntlich nicht immer die reine Freude. Jeder ist schon mal von einem Geschenk enttäuscht gewesen, hatte sich anderes erhofft,
hätte es gern umgetauscht. Mit dem Geschenk des Leben ist es nicht anders, scheint mir.
Man spürt es wenn man älter wird. Als Kind ist das Leben vor allem Freude. Sogar älter werden kann gar nicht schnell genug gehen. Aber spätestens bei Jugendlichen schlägt die Freude über das Geschenk des Lebens oft radikal um. Als Jugendlicher kann man geradezu Ekel vor sich selbst empfinden. Es kostet Kraft und Anstrengung, das Leben als Geschenk anzunehmen, so wie ist: Die eigenen Anlagen, die Mängel der eigenen Person , die Schatten, die man an sich und anderen entdeckt.
Ab der Jugend ist es unübersehbar: Das Geschenk des Lebens fordert einen heraus. Man muss es annehmen. Auspacken und entwickeln. Immer wieder. Und wird damit nicht fertig. Weil das Geschenk immer neue Überraschungen bereit hält. Auch im Alter noch.
Wer bin ich geworden nach all den Jahren? Mancher spürt, dass er seinen Eltern immer ähnlicher wird, und wollte doch eigentlich immer ganz anders sein und werden. Es ist eine große und schöne Aufgabe, damit Frieden zu schließen.
Wenn das gelingt, kann auch die Beziehung zu den Eltern noch einmal ein klareres und versöhnteres Gesicht bekommen. Wer zu sich selbst ja sagen lernt, versteht dann oft auch Eltern besser, kann ihnen manches vergeben und dankbar werden.
In der Bibel ist mir der Prophet Jeremia besonders eindrücklich.
Das Geschenk des Lebens wird ihm in schwerer Zeit zur Bürde, die Gott ihm zumutet.
Und er wirft Gott das Geschenk quasi vor die Füße, zumindest verbal:
„Warum bin ich aus dem Mutterleib hervorgekommen, wenn ich nur Jammer und Herzeleid sehen muss und meine Tage in Schmach zubringen!“
Für Jeremia ist dieses gallige Wort zugleich der Anfang, sein anstrengendes Leben als
Geschenk Gottes lieben zu lernen. Er kämpft darum, dass er es anzunehmen lernt.
Er lehnt es nicht mehr ab als etwas Fremdes. Freundet sich damit an und am Ende wird ihm sein Leben lieb. Das heißt nicht, dass er sich alle Widrigkeiten, die es für ihn parat hat, schön und gut redet und sich ergibt. Im Gegenteil. Er tritt ihnen kämpferisch entgegen und geht so seinen Weg. Weil er im Kern mit seinem Leben ins Reine gekommen ist. Jeremia hat begriffen, dass Gott ihm mit dem Geschenk des Lebens nichts Böses wollte. Sondern dass genau dieses herausfordernde Leben zu ihm gehört.
Ich liebe das Leben, das Gott mir geschenkt hat. Es ist Glück, wenn man das sagen lernt.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2420
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