SWR2 Wort zum Tag

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Ob Al Gore den Friedensnobelpreis auch bekommen hätte, wenn er Präsident geworden wäre? Vermutlich nicht. Dann hätte er nämlich die letzten Jahre Politik machen müssen. Klassische, normale Machtpolitik. Und ob man dafür nach dem 11. September 2001 hätte den Friedensnobelpreis bekommen können? Vielleicht wäre Al Gore als Präsident mächtiger gewesen, aber auch wirkmächtiger?
Eines scheint mir sicher, als Präsident wäre Al Gore nicht so frei gewesen, sich so intensiv dem zu widmen, was für ihn dringlich ist: Den Klimawandel ins Bewusstsein der Welt zu tragen. Und das Erstaunliche daran finde ich:
Er hat damit politisch gewirkt als Einzelner ohne Amt, bewegt von seiner Überzeugung. So bewegt, hat er Geld, Kraft und sein moralisches Bewusstsein eingesetzt. Das gab es auf dem Feld der Politik eigentlich schon länger nicht mehr.
Vielleicht ist das ja ein gutes Zeichen auch für Sie und mich. Dass unser Verantwortungsbewusstsein und die Bereitschaft, unsere Gaben, Fähigkeiten und Kräfte zu teilen, wieder nötig werden. Und dass sie auch politisch wirken können. Nicht nur privat, im sozialen Bereich, in Kunst oder Sport.
Vielleicht ist es ein gutes Zeichen, aber vor allem ist es ein Ansporn: Dass auch Sie und ich unsere politische Verantwortung und unsere Möglichkeiten wieder entdecken. Und sie teilen.
Denn ich muss jedenfalls von mir zugeben, dass ich mich in den vergangenen Jahren politisch verhalten habe wie 2 Männer in der Geschichte vom Barmherzigen Samariter. Ich habe um die Politik eher einen Bogen gemacht.
Sie kennen diese berühmte Geschichte:
Ein Mensch fällt unter die Räuber, bleibt verletzt liegen, nacheinander kommen ein Priester und ein Levit vorbei. Aber beide nehmen ihre humane Verantwortung für den Verletzten nicht wahr. Erst der Dritte, der des Weges kommt, macht keinen Bogen um ihn. Er leistet Erste Hilfe. Mehr noch: Er transportiert den Mann zur nächsten Karawanserei, gibt dort sein Geld für Zimmer und Pflege, damit andere sich weiter kümmern.
Jesus hat mit dieser Geschichte einem Gedanken ein unverrückbares Denkmal gesetzt hat: Jeder Mensch hat Verantwortung für andere, die er nicht abgeben kann.
Verantwortung übernehmen bedeutet: Ich muss nicht alles selbst machen, ich kann auch etwas in Gang bringen, anstoßen, ein Fundament legen, auf dem andere weiter arbeiten können. Aber es gibt für jeden von uns den Teil, den ich selbst geben kann wie der Samariter. Und vielleicht ist ja in diesen Zeiten die Politik, die Sie und mich braucht.
https://www.kirche-im-swr.de/?m=2419
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