Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Maßlosigkeit ist ein Zeichen unserer Zeit“, meint ein Leserbriefschreiber. Er sieht dabei auf die Explosion der Spitzengehälter in den Konzernen. In der alten Bundesrepublik verdienten Vorstandsmitglieder etwa das 15-fache ihrer Angestellten. Heute ist es mehr als das 50-fache. Millionengehälter sind keine Seltenheit - für die meisten Arbeitnehmer phantastische Summen, die tatsächlich jedes Maß sprengen.

Diese Spitzengehälter sind aber vielleicht nur ein besonders deutlicher Ausdruck einer allgemeinen Maßlosigkeit. Im Kleinen wird Maßlosigkeit gefördert durch Pauschalen oder sogenannte „Flatrates“. Also einmal bezahlen und dann so viel nutzen und nehmen wie ich will und kann. Das kann der exzessive Internetkonsum ebenso sein wie das übermäßige Essen und Trinken im Ferienparadies. Und Flatrate-Saufen musste schon verboten werden, weil sich manche ins Koma tranken. Im Großen kann Maßlosigkeit die grenzenlose Ausbeutung von Natur und Menschen, die bedenkenlose Vermüllung der Meere oder unbegrenzter Ressourcenverbrauch sein. Früher setzten Kosten und technischer Aufwand Grenzen. Heute verschwindet der Preis hinter Pauschalen oder es stehen nahezu unbegrenzte Mittel zur Verfügung. Und technisch ist fast alles möglich. Kosten und Technik sind keine Grenzen für Maßlosigkeit. Ich muss selbst Maßstäbe setzen. Doch das fällt schwer – warum mit weniger zufrieden sein, wenn ich alles haben kann? Zugleich ist klar: Zuviel des Guten schadet. Internetsucht führt zu Realitätsverlust, maßloser Genuss beeinträchtigt die Gesundheit, Ausbeutung von Mensch und Natur zerstören die Lebensgrundlagen - und überhöhte Spitzengehälter schaden der Lohngerechtigkeit.

Vielleicht hat der Leserbrief recht und Maßlosigkeit ist mehr als ein Promi-Problem, eben ein Zeichen unserer Zeit. Überhöhte Spitzengehälter sind dann nur die Spitze des Eisbergs. In einer maßlosen Gesellschaft wird eben maßlos konsumiert, maßlos verbraucht - und auch maßlos verdient. Da reicht kein halbherziges Maßhalten, ein bisschen weniger von allem. Es geht um die großen Maßstäbe. Um Lohngerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung und die Vorstellung von einem guten Leben. Eine Gesellschaft ohne die richtigen Maßstäbe wird maßlos. Und das schadet allen.

 

 

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24140
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