SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Luisa war eine meiner eifrigsten Messdienerinnen. Das liegt nun schon viele Jahre zurück. Damals war ich Pfarrer in einer Stadt an der Nahe, sie war acht Jahre alt. Als ich dann versetzt wurde, hat ihr das ganz und gar nicht gefallen. Sie hätte es gerne verhindert. Immer wieder bekam ich Post von ihr. Einen Brief habe ich bis heute aufbewahrt. Er enthält eine Hiobsbioschaft. Das Pferd, auf dem sie gerade reiten lernte, war plötzlich gestorben. Für sie ging eine Welt unter. In dem Brief heisst es: „„Ich bin ganz schön sauer auf den lieben Gott. Er hat mir schon vieles genommen, was ich besonders lieb hatte. Meinen Hasen, dann sind Sie weg und jetzt noch das Pferd.“ Das klingt amüsant, lustig, so wie vieles aus Kindermund. Aber Luisa war wirklich sauer, stinksauer auf den lieben Gott. Das passte nicht in das Bild, das man ihr beigebracht hatte. Wieso soll ein Gott lieb sein, der ihren Hasen und das Pferd sterben lässt und dann auch noch den Pfarrer versetzt? Nicht nur Kinder haben ihre Probleme mit dem lieben Gott. Aber sie reden mit ihm, so wie sie können.Deutlich, ohne Diplomatie, ungeschminkt. Das Schmunzeln über diese kleine Episode endet schnell bei anderen Beispielen. Das berühmte und schreckliche  „Warum, Gott..?“ ist oft zu hören. Auch bei vielen, denen Gott sonst herzlich egal ist. Immer wenn Menschen an die Grenze geführt werden, an die Grenze dessen, was sie aushalten können,

- oder eben nicht mehr aushalten können - bricht dieser Ruf aus Menschen heraus. „Warum, Gott..?“ Warum lässt du diese ISIS Terroristen gewähren, wieso greifst du nicht ein in Syrien, warum beendest du nicht die Hungerkatastrophe in Ostafrika? Die Antwort bleibt aus und das Gotteswort aus dem Propheten Jesaja: „Meine Gedanken sind nicht eure Gedanken…“(Jes 55,8) hilft da nicht wirklich, auch wenn es stimmt. Gott ist Gott, wir sind Menschen. Sicher: Vieles liegt auch in unseren Händen, vieles könnten wir verhindern oder selber lösen. Gott muss und kann nicht für alles herhalten. Aber vieles bleibt auch rätselhaft. Mit Gott hadert man nicht, man zweifelt nicht, so wurden die Älteren erzogen. Aber mit Gott streiten gehört dazu. Mit Gott sprechen, mit Gott streiten: das heißt auch glauben, dass er existiert. Mit Schatten kämpfe ich nicht. Es ist wie mit Menschen, die mir ans Herz gewachsen sind: mit denen ringe ich ja auch.Weil sie mir wichtig sind und weil mir nicht völlig egal ist, was sie machen.So mit Gott sprechen, heißt beten. Ganz einfach und direkt. Sprechen mit ihm, der unser Begreifen übersteigt. So wie Luisa.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24124
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