SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

„Worüber habt ihr unterwegs gesprochen?“, fragt Jesus einige seiner Jünger. Gerade waren sie an ihrem Ziel, dem Dorf Kapharnaum am See Genesareth, angekommen. Auf einmal wird es ganz still im Raum. Betretenes Schweigen. Denn: sie hatten „unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei“ (Mk 9,35). Im Evangelium des Markus heisst es dann weiter: „Da setzte er sich, rief die Zwölf und sagte zu ihnen: wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen, und der Diener aller sein.“ Zitat Ende. „Denn sie hatten unterwegs miteinander darüber gesprochen, wer von ihnen der Größte sei“. Dieser Satz hallt in mir nach, wann immer ich diese Geschichte lese. Auch die „großen“ Jünger waren von der Eitelkeit nicht verschont, obwohl man meinen müsste, sie hätten davon frei sein können, so in unmittelbarer Nähe des Meisters. Eine uralte Krankheit, sich vergleichen, sich grundlos messen, taktieren, kämpfen und siegen müssen. Die „Make America great again“ Sprüche des neuen USA Präsidenten sind dafür nur ein Beispiel unter vielen. Als Spiel mag das ja reizvoll sein, herausfordernd sogar - wenn es ein Spiel bleibt; wenn Verlierer und Sieger einander gewogen bleiben. Wenn der Verlierer dem Sieger ehrlich gratulieren kann und der Sieger dem Besiegten Respekt erweist. Die Idee von Olympia meinte das mal. Es ist bemerkenswert welche Lektion Jesus den Jüngern behutsam, ohne Strafpredigt, zum Thema Eifersucht, Größenwahn und Karrieresucht erteilt. Eine kleine Revolution. Nicht kompatibel mit dem gesellschaftlich Üblichen. Er dreht den Spiess einfach um.„Wer der Erste sein will, soll der Letzte von allen, und der Diener aller sein.“ Das ist keine Aufforderung sein Licht unter den Scheffel zu stellen oder besonders unterwürfig und devot zu sein. Sicher nicht. Aber der Rat sich selbst nicht wichtiger zu nehmen als nötig. Das schafft Freiheit. Ich erinnere mich an den Chef unseres Internates, der wenn er mit Schülern im Garten arbeitete von hochnäsigen Eltern für einen Gärtner, nein für einen einfachen Gartenarbeiter gehalten und auch so behandelt wurde. Der sich aber davon nicht beeindrucken ließ und ohne sich erkennen zu geben geduldig Auskunft gab, wenn er etwas gefragt wurde. Zum Beispiel wo man das Büro des Internatsleiters finden könnte. Und wie er jedesmal schmunzeln musste wenn er in die peinlich berührten Gesichter der gleichen Herrschaften blickte, wenn die sich später zum Gesprächstermin mit ihm in seinem Büro einfanden. Wahre Größe hat nichts mit äußerem Ansehen und klangvoller Visitenkarte zu tun. Darauf wollte Jesus seine Jünger damals hinweisen und das gilt auch heute noch.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24123
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