SWR2 Wort zum Tag

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Es gibt Leute, die stellen in ihrem Leben alles auf Anfang, ziehen aus der Schlossallee oder der Turmstraße aus, gehen auf Los und fangen ganz neu an. Manchmal mit, manchmal ohne finanzielles oder familiäres Polster. Ich habe großen Respekt vor Menschen, die solche neuen Anfänge wagen. In diesem Jahr haben wir in unserer Gemeinde eine Erwachsenentaufe gefeiert. Für diesen Mann ist seine Taufe ein ganz entscheidender Schritt gewesen. Es gehört Mut dazu, sich vor der ganzen Gemeinde taufen zu lassen. Gerade heute, wo Glaube keine Selbstverständlichkeit ist und manche Arbeitskollege und Freunde auch irritiert sind, dass einem erwachsenen Menschen sein Glaube so wichtig ist. Immerhin, so ganz allein mit seiner Entscheidung ist unser erwachsener Täufling nicht. Laut Statistik meiner Landeskirche Hessen und Nassau haben sich im Jahr 2015 fast 1100 Erwachsene taufen lassen.

Gerade wenn man ganz neue Wege im Leben wagt, braucht man etwas, das innerlichen Halt gibt. Einen inneren Kompass, an dem man sich orientieren kann, wenn das Gelände völlig unbekannt ist. Das kann der christliche Glaube sein, die Erinnerung an die eigene Taufe, oder aber auch ein Wissen darum, dass Menschenleben etwas sehr Kostbares ist, Leben inmitten von Leben, das leben will. Ich glaube, dieser Respekt bewahrt Menschen davor, innerlich Schaden zu nehmen, wenn sie in ihrem Leben völlig neue Wege wagen. Oder auch wagen müssen, etwa, wenn sie sich durch eine Krankheit oder nach dem Tod eines Menschen neu orientieren müssen. Oder, das ist ja ein ganz wunderbarer Grund, wenn durch die Geburt eines kleinen Menschenkindes die ganze Welt in einem neuen Licht erscheint und man sich auf diesen neuen Erdenbürger einstellen muss und mit ihm die Welt neu entdecken mag.

Im Lukasevangelium steht einer meiner Lieblingssätze: Was nützt es einem Menschen, wenn er die ganze Welt gewinnt, dabei aber sich selbst verliert und Schaden nimmt. Umgekehrt heißt das für mich: Wenn die Seele bewahrt ist, kann ein Mensch alles wagen! Einen Umzug, einen neuen Lebensabschnitt oder eben auch einen neuen Glaubensweg. Die eigene Seele zu bewahren oder bewahrt zu wissen durch das Versprechen der Liebe Gottes in der Taufe: Ich finde, das ist sehr viel und macht mutig! Es gibt sehr viele spannende Lebensmöglichkeiten, wenn man seine Seele mit auf die Reise nimmt. Ich wünsche mir, dass unser erwachsener Täufling das spüren kann. So wie alle anderen Menschen, die gerade dabei sind, alles auf Anfang zu stellen und ihr Leben neu zu wagen.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24118
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