SWR2 Wort zum Tag

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Sind Sie eher Sammler- oder Wegschmeißer-Typ? Ich beschreibe mal kurz: Die Wegschmeißer freuen sich über jede Gelegenheit, etwas loszuwerden: Flohmärkte, Kleidersammlungen oder Ebay. Im Keller häuft sich nichts unkontrolliert an, in der Garage steht wirklich nur ein Auto und im Kleiderschrank findet sich immer noch ein freier Bügel. Falls Wegschmeißer mal umziehen möchten, ist das gar kein Problem. Das ganze Hab und Gut lässt sich leicht zusammenpacken und in Umzugskartons verstauen.

Ganz anders die Sammler. Sie horten schöne Dinge aus der Natur: Herzsteine oder Wurzeln, die wie Männchen aussehen. Sie bringen es nicht übers Herz, sich von alten Zeitschriften zu trennen, geschweige denn von Erinnerungsstücken: die erste Konzertkarte oder das Akkordeon vom Papa. Das Größte ist es, wenn die Nachbarn kommen und nach einer Matratze fragen, weil sie unerwarteten Besuch bekommen. Klar, davon haben die Sammler einige rumstehen.

Was ist nun besser – sammeln oder wegwerfen? Ich finde, man sollte das eine nicht gegen das andere ausspielen, denn beide Lebensformen haben ihren eigenen Wert. Und ich glaube, beide Typen wünschen sich insgeheim manchmal, ein bisschen wie der andere zu sein: Zum Beispiel der Sammler, der auf dem völlig überfüllten Dachboden steht, sich hilflos umschaut und sich sehnt nach etwas Übersicht und Luftigkeit. Und vielleicht fragt er sich dann, wer das alles einmal sortieren und entsorgen soll. Und bestimmt auch, wofür er das überhaupt tut, und wen das noch interessiert, wenn er mal tot ist.

Oder der Wegschmeißer, der gerade wieder einen Schwung Bücher an einen Wohltätigkeitsflohmarkt losgeworden ist, und jetzt verzweifelt nach einem Zitat sucht. Gut, man könnte jetzt zum Flohmarkt gehen und das Buch zurückkaufen, aber das macht der Wegschmeißer grundsätzlich nicht. Und auch er fragt sich in nachdenklichen Momenten, was von ihm bleibt, wenn er stirbt, außer einer sehr aufgeräumten Wohnung…

Das ist die Frage, die beide Typen vereint: Was bleibt von mir, wenn ich nicht mehr auf der Erde bin? Ein dickes Konto? Ein Denkmal oder ein Straßenname? Vielleicht aber auch ein selbstgeschriebenes Buch oder ein Baum, den ich gepflanzt und gepflegt habe. Oder ein Haus, in dem mein Herzblut und meine Arbeitskraft stecken. Vielleicht eine Frau, die um mich weint oder Kinder, die sich gerne an mich erinnern, denen ich was mitgegeben habe. Menschen, die von meiner Großzügigkeit erzählen, und dass mir nichts zu viel war, wenn ich mit anpacken sollte. Freunde, die sich erinnern, dass ich eine ehrliche Haut, dass ich tiefsinnig oder eine Stimmungskanone war. Oder vielleicht etwas ganz anderes. Es gibt so viel was bleiben kann von mir – Gott sei Dank!

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