SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Immer mehr Menschen leben alleine. Viele von ihnen wollen das auch. Es ist ihr Lebensentwurf, vielleicht für immer, vielleicht auch nur auf Zeit. Ich habe einige Freundinnen und Freunde, die allein leben. Teilweise aus freier Entscheidung, teilweise aus der Not, weil sie niemanden gefunden haben. Oder aber auch, weil sie ihren Partner verloren haben. Eine Freundin von mir lebt so schon längere Zeit alleine und bei ihr gibt es Zeiten, wo sie es sehr genießt, unabhängig zu sein. Aber auch Momente, wo sie sich einsam fühlt. Ich kann beide Stimmungen verstehen, ich habe ja auch eine Zeit lang als Single gelebt.

Für mich wird immer wichtiger, wie ich damit umgehe. Wie ich generell darüber denke und ob ich einfühlsam mit den Menschen bin. Das fängt in meinem Freundeskreis an. Zum Beispiel, ob es da in der Freizeit nur Unternehmungen gibt, bei denen Single-Freunde sich fehl am Platz fühlen, weil die anderen als Paar erscheinen. Und weil wir dann zwar Partnerschaftsprobleme besprechen, aber nie über die Einsamkeit und die Probleme, die ein Mensch hat, der allein lebt. Das ist gar nicht böse gemeint und passiert unbewusst. Aber es führt dazu, dass die Alleinlebenden sich nur halb wahrgenommen fühlen.

Es sind ja oft nur Kleinigkeiten. Zum Beispiel, wenn man sich neuen Bekannten vorstellt. Wenn man dann nachfragt, ob einer verheiratet ist und Kinder hat, ist das für viele eine normale Frage. Wer verheiratet ist und Kinder hat, kann da ja auch einfach mit „Ja“ antworten. Für meine Freundin ist das anders. Wenn sie diese Frage verneinen muss, fühlt sie sich, als ob sie nur ein halber Mensch wäre. Besonders in Phasen, wenn sie darunter leidet, dass es gerade niemanden gibt, den sie an der Seite hat. Oder beim Restaurant-Besuch, wenn es um die Tischwahl geht. Da braucht es nicht viel, und der, der alleine kommt, fühlt sich, als ob er einen Tisch belegt, der eigentlich für mehrere Personen gedacht ist. Was das heißt, wenn man alleine in den Urlaub fährt, mag ich mir gar nicht vorstellen.

Irgendwie passt das aber nicht dazu, was für mich den Menschen ausmacht. Auch wer keinen Partner hat, ist doch ein vollwertiger Mensch. Alleinsein ist keine Sünde und muss kein Defizit sein. Ich will versuchen, sensibler damit umzugehen, wenn ich merke, dass ich es mit jemandem zu tun habe, der allein ist. Wenn ich mich für sein Leben interessiere und für die Probleme und Sorgen, die der andere hat. Und ihn danach frage.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24028
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