SWR4 Abendgedanken

SWR4 Abendgedanken

Es gibt Sätze, die sind berühmt geworden, obwohl sie wahrscheinlich nie gesagt worden sind. Einer lautet: „Ich stehe hier und kann nicht anders“. Martin Luther soll das gesagt haben, als er auf dem Reichstag in Worms gesprochen hat. Er hat es zwar vermutlich nicht gesagt, aber er war da: auf dem Reichstag in Worms am 18. April 1521. Im Gedenkjahr der Reformation erinnere ich heute daran.

Dass er nicht anders kann, hat ja einen Grund: Es ist sein Gewissen, dass ihn geradezu zwingt, bei seiner Haltung zu bleiben. Es geht ja schließlich darum, was er darüber denkt, dass Gott den Menschen erlösen will und dass der Mensch sich das nicht erkaufen kann.

Natürlich kann das Gewissen niemanden richtig zwingen, man muss sich davon leiten lassen. Und es wäre bequemer gewesen, wenn Luther hier nachgegeben hätte. Für die anderen, also für den Kaiser und die Fürsten, die sich in diesem Streit um Luthers Thesen positionieren mussten und natürlich für ihn selbst. Er hätte keine Probleme mit dem Papst mehr gehabt, wahrscheinlich wäre der Bann gegen ihn aufgehoben worden und er hätte ohne Angst um sein Leben und seine Freiheit leben können. Aber Luther ging es um mehr, um echte Freiheit. Nicht nur darum, sich frei zu bewegen und nicht im Gefängnis zu sitzen. Er will seine Überzeugung offen und ehrlich vertreten.

Unabhängig von der Streitfrage, um die es da ging, für mich ist Luther allein schon deshalb ein Vorbild, weil er seiner Überzeugung treu bleibt und auf sein Gewissen hört.

Heute sehen das zum Glück auch die Vertreter der katholischen Kirche so, als zentralen Wert des Christentums. Sie haben sich daran erinnert, dass schon Thomas von Aquin es im 12. Jh. als oberstes Gebot gesehen hat, dem Gewissen zu folgen. Weil das Gewissen eine Art innerer Kompass ist, über den jeder Mensch verfügt. Wenn ich mich danach richten will, dann weiß ich tief in meinem Innern meistens ganz genau, was richtig und was falsch ist. Selbst wenn ich dann manchmal anders handle als es gut wäre. Wenn ich zum Beispiel vor der Frage stehe, ob ich einen Kollegen kritisiere oder lieber den Mund halte. Ich kann unterscheiden und abwägen, wo ich nur kurzfristig zu meinem Vorteil handeln würde, wo ich Beliebtheitspunkte sammeln möchte und was das Richtige wäre. Ich bin überzeugt, dass ich langfristig sogar zu meinem Vorteil handle, wenn ich mich für das Gute entscheide. Auch wenn es vielleicht auf den ersten Blick manchmal unbequemer ist. Ich orientiere mich da auch an Luther und im Zweifel versuche ich mich dafür zu entscheiden, dass ich nicht anders kann als dass ich zu meiner Überzeugung stehe.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24025
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