SWR2 Wort zum Tag

SWR2 Wort zum Tag

„Ich bin so frei!“, sagt ein Mann zu mir und setzt sich einfach neben mich. Ungefragt und ungeniert. Dazu hört er noch laut Musik mit seinem Handy. Eigentlich hatte ich mir diese Bank im Park extra ausgesucht, weil sie etwas abseits steht und noch nicht besetzt war. Ich wollte für mich allein sein und die Stille und Ruhe dieses Ortes genießen. In aller Freiheit. Nun ist es damit vorbei. Ich muss etwas zur Seite rücken, und fühle mich automatisch gestört, eingeengt und eingeschränkt.
Mit der Freiheit ist das gar nicht so einfach. Freiheit ist nicht nur meine eigene Freiheit. Es gibt auch die Freiheit der anderen. Und die eine hat mit der anderen zu tun.

 „Ich bin so frei!“, sagt Martin Luther, als er seine 95 Thesen veröffentlicht und damit die Christenheit in Aufruhr gebracht hat. Er hatte eine Botschaft. Und jeder soll sie hören: Gottes Liebe kann man sich nicht kaufen. Gott verschenkt sie. Jedem Menschen. Aus freien Stücken.
Für mich ist das ist ein gutes Gefühl, zu wissen: Ich bin geliebt. Von Gott. Mit allen meinen Fehlern und Schwächen. Ich muss nicht perfekt sein. Ich muss nicht vollkommen sein in dem, was ich sage oder tue. Ich darf sein, was ich bin und wie ich bin: Ein Mensch. Angenommen und gewürdigt als individuelle Person mit dem Namen Markus Jäckle. Und das befreit. Herz und Geist und Seele gleichermaßen.

Das heißt nicht, dass ich keine Rücksicht mehr auf andere nehmen muss. Dass ich einfach alles machen darf, was ich will. Im Gegenteil. Freiheit bringt immer auch Verantwortung mit sich. Manchmal führt es sogar dazu, dass man aus Verantwortung heraus eben so und nicht anders handeln kann.

 „Ich bin so frei!“ sagen Menschen und engagieren sich.
„Ich bin so frei!“ sagen Menschen und helfen bei der Tafel oder beim Café Asyl.
„Ich bin so frei!“ sagen Menschen und glauben an Gott.

Freiheit und Verantwortung bedingen sich einander. In einem Gebet, das ich oft bei Trauungen verwende, heißt es: Du, Gott, weißt, wie viel Freiheit aus Bindung werden kann. Es steckt eine tiefe Glaubenswahrheit in diesem Satz.
Wenn zwei Menschen in ihrer Beziehung erfahren, dass sie sich wirklich aufeinander verlassen können, dann erwächst ihnen daraus eine ungeheure Freiheit in den Höhen und Tiefen ihres Lebens.

Das gilt auch für die Beziehung zu Gott. Wenn ich glaube, dass Gott mir immer zur Seite ist, in guten und in schweren Tagen, ist das eine Bindung, die mich getrost sein lässt, bei allem, was geschehen mag. Für mich als Christ, bedeutet es die größte Chance meines Lebens, aus diesem Glauben heraus leben zu dürfen. In aller Freiheit und Verantwortung.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24022
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