Anstöße SWR1 RP / Morgengruß SWR4 RP

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„Kinder? Nein, Danke!“ Ein provozierender Slogan. Er steht über dem neuen Buch der französischen Autorin Corinne Maier. Sein Titel: „No Kid“. Und darunter steht die Zeile: „40 Gründe, keine Kinder zu haben“.
»No Kid« ist eine Enzyklopädie von Argumenten gegen Kinder. Von der Schwangerschaft angefangen über alle Stadien des Familiendaseins geht Corinne Maier mit Kinderwunsch, mit Eltern und mit Kindern ins Gericht. Kinder, so Maier, machen Frauen und Männern zu erbarmungswürdigen Wesen, machen sie unattraktiv und lustlos. Kinder selbst seien „kleinwüchsige Terroristen“, brutal und ungerecht.
Maier überzieht gewaltig – und wird dadurch in ihrer Kritik unglaubwürdig. Doch in einem hat sie recht. Kinder sind nicht nur der Augenstern der Eltern, die niedlichen Racker, die mit kessen Sprüchen das Herz jedes Erwachsenen gewinnen können. Kinder sind anstrengend, laut, fordernd. Sie bringen einen um den Schlaf und die Nerven. Aber deswegen von einer kinderfreien Gesellschaft träumen?
Maiers Polemik läuft auf den Kernsatz hinaus: Kinder und persönliche Freiheit, das passt nicht zusammen. Ein wahrer Satz. Wer Kinder hat, der muss sich in vielem nach ihnen richten. Nicht nur, wenn sie hilflose Babys sind, nachts schreien, tagsüber beschäftigt werden wollen. Auch später noch: Wenn sie ihren eigenen Willen entdecken, wenn sie durch die Stürme der Pubertät schlingern. Immer wollen Kinder etwas. Und am besten sofort. Kein Wunder, dass die Interessen der Eltern oft zurückstehen müssen. Am Abend mal einfach so und spontan weggehen – unmöglich. In die Ferien fahren, wenn gerade Nebensaison ist? Nicht zu machen. Doch mal im Ernst: Führt der Verlust an Freiheit in der Konsequenz dazu, Kinder abschaffen zu wollen?
Maier übersieht, dass es eine Rückseite des Lebens mit Kindern gibt. Wer mit Kindern lebt, der kann vieles anders und neu erleben. Mit Kindern lässt sich über ganz banale Dinge staunen: Über den Regen und den Regenwurm, über die Besonderheiten der Sprache und das scheinbar Selbstverständliche. Kinder sehen buchstäblich die Welt aus einer anderen Perspektive und sorgen dafür, dass Erwachsene Augen machen. Kinder bringen so ihren Eltern etwas vom Leben bei. Kinder sorgen also für beides: Sie beschneiden Freiheit, aber sie lassen Erwachsene gerade dadurch wachsen.
Thomas Weißer, Budenheim, Katholische Kirche

Corinne Maier: No Kid. Quarante raisons de ne pas avoir d'enfant (40 Gründe, keine Kinder zu haben); Editions Michalons. Erscheint in Kürze auch auf Deutsch.


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