SWR2 Wort zum Tag

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Im Superwahljahr 2017 sind aktuelle politische Themen deshalb noch brisanter als sonst, weil sie auch zur Auseinandersetzung im Wahlkampf dienen. Dabei taucht, das ist nun wirklich nichts neues, das Thema Flucht und Einwanderung ganz oben auf der Agenda auf – seit Wochen, Monaten und Jahren. Dabei wird in den Talkshows, an den Stammtischen und auf den Parteitagen zunächst einmal darüber diskutiert, wie mit dem Zustrom von Flüchtlingen umgegangen werden kann: Ob abblocken das probate Mittel, ob eine Willkommenskultur die richtige Antwort ist. Sehr schnell kommt man dann zum Schluß, dass es effektiver und lohnenswerter wäre, die Ursachen von Flucht und Vertreibung zu bekämpfen, statt die Flüchtlinge. Schließlich handelt es sich um Menschen, die Wege suchen, der Not zu entkommen. So weit sind sich dann auch alle einig. Was ich aber vermisse, ist der nächste Schritt: Wie kann das konkret aussehen, „Fluchtursachen zu bekämpfen“? Wie können Armut, Perspektivlosigkeit und Krieg so bekämpft werden, dass friedliches Leben in den südlichen Teilen des Globus möglich ist und Wohlstand und Gerechtigkeit möglich werden? Warum gibt es darüber keinen politischen Wettbewerb, der einen Wahlkampf ernsthaft prägen würde? Dies sind solch elementare Überlebensfragen der Menschheit, dass sie endlich auch im Mainstream unserer Diskussion ankommen müssen. Es muss gestritten werden darüber, ob staatliche Entwicklungshilfe das richtige Mittel ist, um Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika aus der Armut zu helfen. Und es muss gestritten werden darüber, wie Perspektiven und Chancen für junge Menschen geschaffen werden können, damit sie nicht verzweifelt davonlaufen. Entscheidend ist auch, ob der Handel das entscheidende Rad ist, an dem gedreht werden muss oder ob politische Lösungen das richtige Mittels sind, ob Fairtrade-Strukturen etwas nützen, oder die gesamten Welt-Handelsstrukturen der verändert werden müssen.

 

Auch in den Wahlkämpfen 2017 höre ich darüber wieder einmal: nichts.

 

Ich meine aber: So lange wir hierüber nicht diskutieren und unsere Ideen in einen Wettbewerb bringen, so lange haben wir auch nicht das Recht, darüber zu reden, wie die Grenzen dicht gemacht und die Abschiebepraxis verbessert werden kann.

 

Dass diese Themen in unseren Wahlkämpfen sträflich vernachlässigt werden,  liegt zum einen an den Parteien, die sie nicht auf die Agenda hieven, zum anderen aber auch an uns Wählern, die sich anscheinend nur dafür interessieren, was uns direkt und zeitnah betrifft. Ein fataler Irrtum wie ich meine.

 

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24011
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