SWR3 Gedanken

SWR3 Gedanken

Es ist Nacht in Jerusalem. Der Mond scheint durch die Olivenbäume im Garten Gethsemane. Männer lagern unter den Bäumen. Einer davon ein wenig abseits. Ganz in sich versunken. Die anderen sitzen beisammen, starren Löcher in die Luft. Die Zeit verstreicht. Der eine sitzt noch immer da. Ganz in sich versunken. Die anderen starren keine Löcher mehr in die Luft. Sie sind längst eingeschlafen.

Irgendwann bewegt sich der eine, steht auf, geht zu den anderen. Betrachtet die schlafenden Gestalten, rüttelt einen nach dem anderen wach. Erschrocken richten die sich auf. Reiben sich die Augen. Wie konnte das nur geschehen? Wie konnten sie nur schlafen? In dieser Nacht, ausgerechnet in dieser Nacht?

Ihr hattet mir versprochen, wach zu bleiben, sagt der eine. Dass ihr mit mir warten würdet auf das, was kommt. Und es werden Soldaten sein, die kommen. Sie werden mich verhaften, abführen, verurteilen und töten. Und ihr schlaft einfach ein? Was für Freunde seid ihr denn?

Das wissen die in diesem Moment auch nicht. Sie möchten Freunde sein. Ohne Zweifel. Mit ihrem Freund Jesus sind sie einen langen Weg gegangen, sind ihm treu ergeben. Selbst als klar war, dass alles ein böses Ende nehmen würde. Aber nun hat gerade das böse Ende sie so müde gemacht. Die Anspannung, die Angst haben Kraft gekostet. Die sie jetzt nicht mehr haben. Sind sie deshalb keine Freunde?

Freundschaft ist ein starkes Band, das vieles aushält. Die Liebe hat eine Menge Kraft. Die aber auch irgendwann erschöpft ist. Menschen sind einfach nur Menschen. Die wissen, was das Richtige wäre, es aber einfach nicht mehr hinkriegen. Und Jesus? Freilich ist der enttäuscht. Fühlt sich mutterseelenallein in diesem Moment. Aber er ist nicht gottverlassen. Und das weiß er. Und das hält ihn. Und das trägt ihn auch durch diese Zerreißprobe einer Freundschaft.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=24008
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