Anstöße SWR1 BW / Morgengedanken SWR4 BW

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„Die traut sich was“, wurde vor 500 Jahren in Straßburg getuschelt. Die, die sich was getraut hat, das war Katharina Zell. Eine mutige Frau, die Geschichte geschrieben hat.
Katharina Zell hat den Prediger des Straß­burger Münsters geheiratet. Martin Luther gratuliert herzlich. Aber nicht alle freuen sich mit. Denn noch galt in Straßburg der alte Glaube. Priester durften also nicht heiraten. Katharinas Mann verliert deshalb sein Predigtamt. Und Katharina greift zum ersten Mal zur Feder und schreibt dem Bischof einen deutlichen Brief. Sie schreibt eine Verteidigungsschrift für die Priesterehe. Sie als Frau! Dass sich das nach den Maßstäben ihrer Zeit nicht schickt, weiß sie genau. Aber sie hat von Luther gelernt, dass alle Menschen die Bibel auslegen können – auch Frauen. Und dass jeder öffentlich seine Meinung dazu sagen darf.

Es wird nicht das letzte Mal sein, dass Katharina sich etwas traut. Straßburg wurde zwar bald evangelisch. Aber in vielen Gebieten Deutschlands wurden die Evangelischen noch verfolgt und mit ihnen die Schwärmer und Wiedertäufer. Katharina macht ihr Pfarrhaus zur Herberge für alle, die ausgestoßen und verfolgt sind. Und sie setzt sich ein für Verständigung und gegen Gewalt. Nicht immer mit Erfolg. Als die Bauern für ihre Rechte kämpfen, werden sie von den Fürsten grausam niedergemetzelt. In Straßburg sorgt Katharina dafür, dass die überlebenden Frauen und Kinder in die Stadt gelassen und versorgt werden. Und sie kämpft für ihre Rechte.

Bis zu ihrem Tod mit 65 Jahren hat Katharina Zell so gewirkt. Auch ihren letzten Dienst erweist sie einer Aus­ge­grenz­ten: einer religiös andersdenkenden Frau, die kein Pfarrer beerdigen wollte. Schon zu schwach, um selbst gehen zu können, lässt Katharina sich zum Friedhof fahren und hält den Trauergottesdienst. Im Rückblick auf ihr Leben schreibt sie: „Ich habe mich vieler Leute angenom­men, für sie geredet und geschrieben. Alle haben sie zu uns kommen dürfen. Denn die größte Sünde wäre es, die Liebe zu verweigern, zu der Christus aufgefordert hat.“

Erst vier Jahr­hun­derte nach Katharina Zell konnten die ersten Frauen auf evangelischen Kanzeln predigen. Und heute können Frauen in der evangelischen Kirche gleichberechtigt mitgestalten und mitbestimmen. Katharina Zell hat diesen Traum schon vor 500 Jahren gelebt.

https://www.kirche-im-swr.de/?m=23958
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